Future Finance

Die Redaktion befragt Akteure zu aktuellen Entwicklungen in der Finanzbranche.
Mai 2019 Die Welt Geld

Unternehmen und Investoren können heute gar nicht mehr auf Nachhaltigkeit verzichten«

Lars Brandau Geschäftsführer Deutscher Derivate Verband (DDV)

Traditionell gibt es drei Faktoren, die bei der Kapitalanlage Berücksichtigung finden sollten: Rentabilität, Sicherheit und Liquidität. Gegenwärtig wird diskutiert, ob Nachhaltigkeit durchaus als vierte Dimension in der Kapitalanlage verstanden werden sollte. Denn das vielschichtige Thema Nachhaltigkeit gewinnt zunehmend an Bedeutung. Nachhaltige Investments sind längst im breiten Anlageuniversum angekommen – auch wenn es ein Weg raus aus der Nische war.


Früher eher abgetan als Anlageklasse für radikale Ökos, die die Welt retten wollen – mitunter zulasten der Rendite –, können es sich Unternehmen und Investoren heute gar nicht mehr erlauben, auf Nachhaltigkeit zu verzichten. Sie müssen nachweisen, dass sich ihre Anlagen nicht negativ auf Umwelt und Gesellschaft oder soziale Belange auswirken. So fordert eine EU-Richtlinie ein, dass größere Unternehmen in Deutschland und der Europäischen Union jährlich Daten zu Umwelt-, Sozial- und Arbeitnehmerbelangen sowie zur Achtung der Menschenrechte bereitstellen.


Zweifelllos sind nachhaltige Investmentlösungen dringend gefragt, etwa bei Infrastrukturprojekten, wie der globalen Wasserversorgung. Schubkraft erhielt das Thema auch durch den von der Europäischen Kommission vorgelegten Aktionsplan für ein nachhaltiges Finanzwesen. Kerngedanke hierbei ist die Schaffung eines EU-weit einheitlichen Klassifikationssystems. Anhand harmonisierter Kriterien soll sich beurteilen lassen, welche Tätigkeiten als ökologisch nachhaltig gelten. Insbesondere dieser Aspekt machte in der Vergangenheit Sorge, zumal oftmals unterschiedliche Bewertungsansätze herangezogen wurden. Damit soll nun Schluss sein. Ganz im Sinne der Transparenz. Alles in allem lässt sich somit sagen, dass Nachhaltigkeit längst mehr als ein Imagethema ist.

 

www.derivateverband.de

Mai 2019 Die Welt Geld

»Disruption beginnt schleichend, zeigt sich dann aber in starken Schüben«

Kurosch D. Habibi Vorsitzender FinTech-Plattform Bundesverband Deutsche Startups (VDS)

Amazon dringt in immer mehr Bereiche des Lebens vor. Vom morgendlichen Weckruf von Alexa, über die Bestellung einer frischen Packung Kaffee beim Frühstück, bis hin zum Kauf der neuen Lieblingslektüre am Amazon Kindle. In den USA entstehen bereits Supermärkte, betrieben von Amazon. Bezahlt wird mit dem Amazonkonto. Die Zahl der Kontaktpunkte mit den Angeboten der Technologiekonzerne steigt und damit die Möglichkeit, Finanzprodukte zu platzieren. Das Vertrauen in die digitalen Riesen ist da und schon heute sind 65 Prozent aller Nutzer bereit, ein Bankkonto bei Amazon zu eröffnen, wenn zwei Prozent Cashback geboten werden. Es ist schlichtweg komfortabel, Dienste, die ohnehin täglich genutzt werden, auch für Bankgeschäfte zu nutzen. Die klassischen Banken verlieren dabei nicht nur Umsatz, sondern auch wertvolle Einblicke in Transaktionsdaten.

Auch im Geschäftskundenbereich wandelt sich die Finanzbranche. Zahlreiche Unternehmensprozesse wurden von Fintechs neu gedacht – von der Fremd- und Eigenkapitalaufnahme bis hin zu Handelsfinanzierungen und Versicherungen. Besonders mittelständische Unternehmen kommen in den Genuss von neuartigen Angeboten, die sich durch einen hohen Kundenfokus und Schnelligkeit auszeichnen. So können innerhalb von Minuten Finanzierungsangebote eingeholt werden und sogar Unternehmensverkäufe über digitale Plattformen abgebildet werden.

Diese tiefgreifende Digitalisierung des Finanzwesens führt zu einer Verschiebung der Machtzentren, plakativ gesagt von New York nach San Francisco, von Frankfurt nach Berlin – von Banken zu Technologieunternehmen. Disruption beginnt zunächst schleichend, doch zeigt sich dann in starken Schüben. Die nächsten Jahre werden diese massiven Umbrüche sichtbar machen.

 

 

www.deutschestartups.org

Mai 2019 Die Welt Geld

»Neue Technologien und Vertriebsplattformen werden die Struktur der Finanzbranche verändern«

Frank Dornseifer Geschäftsführer Bundesverband Alternative Investments (BVAI)

Unspektakulär erschien der Titel des im Juni 2015 vom Weltwirtschaftsforum vorgestellten Berichts: „The Future of Financial Services“. Neugier wurde erst auf den zweiten Blick geweckt, und zwar durch den Namen des Projektteams, welches diesen Bericht erstellt hat: „Disruptive Innovation in Financial Services“. Auf knapp 180 Seiten führt der Bericht aus, wie etwa geändertes Konsumentenverhalten, neue Technologien und Vertriebsplattformen, die fortschreitende Vernetzung, neue Wege der Kapitalaufbringung, automatisiertes und Schwarm-Investieren die Finanzbranche, insbesondere deren Struktur, Dienstleistungen und Wertschöpfung, verändern werden.

Während die Finanzbranche versucht, den technologischen Wandel zu bewältigen, werden die eigentlichen Innovationen von Technologieunternehmen wie Google oder Apple angestoßen. Deren aggressive Kreativität birgt die größten Risiken für die traditionelle Finanzbranche. In manchen Bereichen – wie etwa dem Zahlungsverkehr (mobile payment/money, crypto currencies) oder dem Kreditgeschäft (etwa P2P-Lending) – ist diese Entwicklung schon relativ weit vorangeschritten, und diverse neue Technologien und Geschäftsmodelle etablieren sich. In anderen Bereichen, insbesondere bei der Vermögensanlage, ist der Diskurs noch lange nicht beendet und das Potential für ein Auseinanderreißen oder ein Zersprengen (eben die „Disruption“) bestehender Geschäftsmodelle und Prozesse nicht ansatzweise evaluiert. Aber auch hier zeigt die Disintermediation, also der Bedeutungsverlust von Intermediären bis hin zum Wegfall einzelner Stufen der Wertschöpfungskette, schon Wirkung. Und durch die fortschreitende Digitalisierung wird auch die Anlagetätigkeit selbst in Form von algorithmisiertem Handel, digitalisierten Finanzinstrumenten, neuen Handels-, Verwahr- und Abwicklungsprozessen (Blockchain) signifikant verändert. Für Anleger bedeutet dies vor allem einen schnelleren und kostengünstigeren Zugang zu Finanzprodukten.


www.bvai.de