Einsteigen oder abwarten?

Die Redaktion befragt Akteure zu Chancen an den Finanzmärkten.
März 2017 Die Welt Geld

»Private Altersvorsorge wird zum Problem.«

Michael Kemmer Hauptgeschäftsführer; Bundesverband deutscher Banken

Die andauernde Niedrigzinsphase legt unbarmherzig offen, was auch schon in besseren Zinsjahren die Achillesferse des deutschen Sparers war: Die Deutschen horten traditionell einen Großteil ihres Geldvermögens auf Konten. In Zeiten höherer Zinsen war es auch durchaus attraktiv, überschüssige Mittel liquide auf Tages-, Festgeld- oder Sparkonten zu parken. Auf diese Weise konnte sich der flexible Kunde den starken Wettbewerb zwischen Kreditinstituten zu Nutze machen, um von den jeweils attraktivsten Angeboten zu profitieren. Die richtige Strategie, um langfristig ein strukturiertes Vermögen aufzubauen, war das aber schon damals nicht. Allerdings fiel dies den Anlegern nicht weiter auf, denn die Zinserträge, die regelmäßig auf die Konten flossen, lagen durchweg über der Inflationsrate.

Seit einiger Zeit hat sich die Lage gewandelt. Inzwischen haben die Niedrig-, wenn nicht gar Nullzinsen zu einer schleichenden Enteignung der Sparer geführt – zumindest dann, wenn sie sich auch weiterhin auf ihre Konten und damit auf vermeintlich sichere Anlageformen verlassen. Dass dies eine unbefriedigende Situation ist, wissen die Anleger zumeist selbst. So ist nach unserer Umfrage nur knapp jeder Zweite (47 Prozent) mit der Wert-entwicklung seiner Geldanlage 2016 zufrieden. Doch führt diese Unzufriedenheit auch dazu, dass die Deutschen bereit sind, mehr Risiko für die Chance auf höhere Renditen einzugehen? Nein. Nach wie vor sind neun von zehn Befragten zu keinem höheren Anlagerisiko bereit.  

Diese mangelnde Risikobereitschaft wird spätestens dann zum Problem, wenn im Ruhestand die private Altersvorsorge nicht ausreicht, um den erwünschten Lebensstandard zu halten. Deshalb müssen sich gerade die jetzt noch jungen Berufstätigen darüber im Klaren sein, dass sie an Aktien und kapitalmarktorientierten Produkten nicht vorbeikommen, wenn sie Rendite erzielen und ein Vermögen für die Zukunft aufbauen wollen.

www.bankenverband.de

März 2017 Die Welt Geld

»Finanzkommunikation ist wichtiger denn je.«

Lars Brandau Geschäftsführer; Deutscher Derivate Verband

Wann endlich geht der vielbeschworene Ruck durch den Großteil der bundesdeutschen Bevölkerung; wann endlich überdenken signifikant mehr Menschen ihre Vorsorgeplanung? Die Wertpapierkultur in Deutschland ist unterentwickelt. Die deutschen Anleger und ihr Geld sind eine schier endlose, beinahe schon tragische Geschichte. Seit Jahren wird der Ruf einer allgemeinen und nachhaltigen Wertpapierkultur in Deutschland immer lauter. Gründe dafür lassen sich einige nennen. Für das Festgeld gibt es schon lange keine Zinsen mehr. Die Inflation droht das Gesparte aufzufressen. Finanzbildung ist dringend von Nöten, damit aus Sparern tatsächlich auch eines Tages mündige Anleger werden können. Merkwürdigerweise schließt sich die Lücke zwischen Angebot und Nachfrage ausgerechnet hier nicht. Einerseits gibt es eine Fülle an Finanzinformationen, andererseits kommen sie bedauerlicherweise nicht bei den Anlegern an. Es ist eine Mammutaufgabe für Kommunikationsprofis, den Menschen die Notwendigkeit der Finanzaufklärung und -bildung zu vermitteln. Das zuvorderst in deren eigenem Interesse.

Zweifellos leben wir in anspruchsvollen Zeiten. Überall und quasi jederzeit wird kommuniziert. Die breite Masse der Gesellschaft ist auf der ständigen Suche nach Orientierung, ob beim Autokauf oder der Lebensversicherung. Orientierungshilfen sind der Kompass für uns alle, um in der Fülle von Informationen das wirklich Wesentliche von Irrelevantem zu trennen. Die Finanzkommunikation ringt dabei ständig um das knappe Gut der Aufmerksamkeit bei Privatanlegern. Nur geht es hier nicht um bloße Geschäftsmodelle von Banken, sondern um den Erhalt des sauer verdienten und angesparten Geldes. Bei allen Bedenken und Sorgen der Anleger sollte allen klar sein: Mit seinem Geld nichts zu machen, birgt sicher die größten Risiken. Das muss vermittelt werden.

www.derivateverband.de

März 2017 Die Welt Geld

»Das Interesse an Private Debt wächst.«

Frank Dornseifer Bundesverband Alternative Investments

Die andauernde Niedrigzinsphase und volatile Aktienmärkte hinterlassen immer deutlichere Spuren im Portfolio. Institutionelle, aber auch Privatanleger suchen verstärkt längerfristige Anlageformen, die bei einem moderaten Risiko ein mit Zinsinstrumenten vergleichbares Cashflow-Profil aufweisen und gerade durch ihre Illiquidität eine weitere Ertragsquelle erschließen. Nachdem Private Equity und Infrastruktur sich bereits bei professionellen Anlegern etabliert haben, wächst seit geraumer Zeit das Interesse an Private Debt.
Private Debt umschreibt die Bereitstellung von Fremdkapital an Unternehmen ohne Einschaltung der Kapitalmärkte. Neben Banken treten verstärkt Nicht-Banken, also institutionelle Investoren wie zum Beispiel Versicherer oder auch Kreditfonds, die entweder in unverbriefte Darlehensforderungen investieren oder sogar selbst Darlehen vergeben, in Erscheinung. Die Finanzierungsformen sind dabei vielfältig: angefangen von der Finanzierung von Private Equity-, M&A- oder Immobilien-Transaktionen bis hin zur Wachstums- oder Akquisitionsfinanzierung oder einer Rekapitalisierung.

Anlegern, die über geschlossene Kreditfonds in das Segment Private Debt investieren wollen, stehen in Deutschland grundsätzlich zwei Zugangswege zur Verfügung: zum einen für Private-/Retailanleger der Publikumsfonds, zum anderen für (semi-)professionelle Anleger der Spezialfonds. Bei beiden Varianten handelt es sich jedoch nicht um so genannte OGAW-(Wertpapier-)Fonds, sondern um alternative Investmentfonds (AIF) nach dem Kapitalanlagegesetzbuch, die gegenüber OGAW-Fonds erweiterte Anlagemöglichkeiten haben und auch in illiquidere Assets investieren dürfen. Mit dem so genannten ELTIF steht zudem ein besonderes europäisches Fondsvehikel speziell für Anlagen in Eigenkapital- oder eigenkapitalähnliche Instrumente beziehungsweise Schuldtitel zur Verfügung, welches ebenfalls selbst Kredite gewähren darf.

www.bvai.de