Arbeitsmarkt 2030

Viele Studien diskutieren intensiv die Frage, ob und in welchem Ausmaß die Digitalisierung zu einem Abbau an Jobs führen könnte. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales hat interessante aktuelle Zahlen hierzu.
Illustration: Mario Parra
Illustration: Mario Parra
Klaus Lüber Redaktion

Spätestens seit die beiden Oxford-Wissenschaflter Carl Benedikt Frey und Michael A. Osborne vor vier Jahren ihre Studie „The Future of Employment“ zur Auswirkung der Digitalisierung auf den Arbeitsmarkt vorgelegt haben, wird heftig darüber diskutiert, inwieweit die zunehmende Automatisierung flächendeckend dazu führen könnte, dass Menschen ihre Arbeit verlieren. Laut Frey und Osbornes Analysen sind nämlich fast die Hälfte aller Jobs (47 Prozent in den USA und 42 Prozent in Deutschland) durch die Digitalisierung gefährdet.

Im Anschluss wurde eine Vielzahl weiterer Prognosen veröffentlicht, die auf das schon klassisch zu nennende Narrativ des „Endes der Arbeit“ rekurrieren und die Automatisierungspotenziale der Digitalisierung in den Blick nehmen: Intelligente Maschinen und Algorithmen würden langfristig die meisten Beschäftigten ersetzen. Die These ist dabei dieselbe wie bei den bereits vergangenen industriellen Revolutionen: Technologie führt zu massivem Arbeitsverlust.

Inzwischen sieht man die Lage etwas differenzierter. Für viele Experten sind die von Frey und Osborn vorgelegten Zahlen zu pauschalisierend. Außerdem gehen sie von der Voraussetzung aus, dass alles, was theoretisch automatisiert werden kann, auch wirklich automatisiert wird, und dass alle Tätigkeiten, die in bestimmten Berufen verlangt werden, auch automatisierbar sind. Dies ist aber fraglich. Viel wahrscheinlicher ist es, dass nur einzelne konkrete Tätigkeiten und nicht zwingend ganze Berufe automatisiert werden. Aber gerade dies trifft laut einer vom Bundesministerium  für Arbeit und Soziales (BMAS) 2015 in Auftrag gegebenen Studie für Deutschland zu. Demnach arbeiten heute nur rund 12 und nicht 42 Prozent der Beschäftigten in Deutschland in Jobs, die stark automatisierungsgefährdet sind. Und auch hier handele es sich lediglich um ein Potenzial, denn es gibt viele rechtliche, gesell­schaftliche und wirtschaftliche Grenzen der Automatisierung.

Ist das Risiko der Arbeitslosigkeit durch technologischen Fortschritt also gar nicht so hoch wie oft behauptet? Um eine eigene Studien-Basis für die Entwicklung in Deutschland zu schaffen, wurden im Auftrag des BMAS bereits mehrere Langzeitprognosen erstellt. Die neueste Studie reicht bis zum Jahr 2030 und vergleicht ein Szenario langsamer aber stetiger Digitalisierung („Basisszenario“) mit einem Alternativszenario einer beschleunigten Digitalisierung, in dem die Bildungs- und Infrastrukturpolitik in größerem Maße als bisher auf den digitalen Wandel ausgerichtet werden.

Das Ergebnis mag überraschen: Im Basisszenario liegt die Zahl der Erwerbstätigten im Jahr 2030 etwa auf dem Niveau des Jahres 2014. Von massiven Arbeitsplatzverlusten ist also nichts zu sehen. Im Szenario einer beschleunigten Digitalisierung kann aufgrund von Produktivitätseffekten sogar mit deutlich positiven Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung gerechnet werden. Was allerdings nicht heißt, dass es nicht in einzelnen Branchen zu einer Fortsetzung des Strukturwandels käme. Die Prognose spricht vom Verlust von insgesamt 750.000 Arbeitsplätzen in 27 Wirtschaftszweigen (zum Beispiel Einzelhandel, Papier- und Druckgewerbe, öffentliche Verwaltung). Demgegenüber steht aber ein vermuteter Beschäftigungszuwachs von insgesamt einer Million Arbeitsplätzen in 13 Wirtschaftszweigen (zum Beispiel IT-Dienste, Forschung und Entwicklung). 

Nächster Artikel