Ausflug in das Zukunftslabor

Wie sich eine Stadt in eine grüne Oase verwandelt, lässt sich in Singapur beobachten.
Illustration: Constanze Behr
Gaby Herzog Redaktion

Jahrzehntelang war eine acht Meter hohe Statue die wichtigste Touristenattraktion in Singapur: Der Merlion, ein Wasserspeier aus weißem Marmor, halb Fisch, halb Löwe. Ein hübsches Fotomotiv, keine Frage. Aber für eine echte Weltmetropole dann doch zu wenig. Die Stadtväter wollten mehr Glamour und mehr aufsehenerregende Architektur.


Und weil man im autokratischen Singapur traditionell durchsetzt, was man sich vorgenommen hat, wurde in den vergangenen 15 Jahren viel Großartiges gebaut. Die Stadt hat sich neu erfunden. Neben mit Stuck verzierten Häusern aus Kolonialzeiten wachsen heute imposante Baukonstruktionen in den Himmel.


Den Anfang machte das Kunst- und Kulturzentrum „Esplanade“, in dem die Zuschauer unter einer stachlig grünen Haut aus Glas und Stahl sitzen. Westliche Besucher erinnern die Gebäude an Mikrophon-Köpfe. Für Asiaten dagegen ist ganz klar: das sind zwei Durians, jene beliebten Früchte, die so sehr stinken, dass sie in Hotels und öffentlichen Gebäuden nicht verzehrt werden dürfen.


Singapur wäre nicht Singapur, wenn es keine offiziellen „Durian-Verbotsschilder“ gäbe. Auch Kaugummikauen wird nicht gerne gesehen. Die Süßigkeit gibt es nur auf Rezept, als Nikotin-Ersatz. Wer sein Gum auf die Straße spuckt, zahlt ein Bußgeld von rund 650 Euro. Klingt viel, ist aber eine vergleichsweise milde Strafe – wenn man bedenkt, dass Graffiti-Sprayern Stockschläge drohen.


Diese staatliche Strenge ist für Freigeister verstörend und auch die allgegenwärtigen Überwachungskameras sind nicht jedermanns Sache. Doch die meisten der 5,6 Millionen Einwohner stehen hinter dem Führungsstil ihrer Regierung. Der Einzelne muss sich im Sinne der größeren Sache unterordnen – so ist das eben.


Auch Turbokapitalismus ist kein Schimpfwort. Im Gegenteil. Dass man zusammen hoch hinaus will, zeigt auch das neue Wahrzeichen der Stadt: „Marina Bay Sands“. Das 2500-Betten Hotel erinnert an eine Arche auf Stelzen. Im Erdgeschoss fahren venezianische Gondeln auf Kanälen die Kunden zum shoppen, auf dem Dach liegt der von Palmen gesäumte Infinity-Pool. Wer hier in 191 Metern Höhe schwimmt, genießt den Ausblick auf die Skyline und den bizarren Bau des ArtScience Museums, das sich wie eine weit geöffnete Lotusblüte der Sonne entgegen streckt.


Eine Reise nach Singapur ist wie ein Ausflug in eine Parallelwelt, in ein Art Zukunftslabor. Die Stadt ist so sauber und aufgeräumt, als wäre sie computeranimiert. Auf den mehrspurigen Straßen herrscht kaum Verkehr. PKW und die dafür benötigte Lizenz sind so teuer, dass die meisten Bewohner lieber die U-Bahn nehmen. Dabei ist Autofahren so ein Vergnügen. Man rollt vorbei an Brunnen, Parks und Seen, über Autobahnen die von lila blühenden Bäumen beschattet werden. Wo die Pflanzen aus Platzgründen nicht in die Breite wachsen können, da pflanzt man eben nach oben. Viele Hochhäuser wie das „Parkroyal On Pickering“ haben spektakuläre Gärten angelegt. An den Fassaden ranken Kletterpflanzen, auf den Dächern wachsen Mango- und Avocado-Bäume und verbessern so das Mikroklima.


So viel Natur hat natürlich System. Singapur hat ein neues Ziel: Es möchte die grünste Stadt der Welt werden.