Psychotherapie per Tablet – der neue Weg für alle?

Neusser Psychiatrie arbeitet mit Online-Therapie, VR und KI. Die Angebote des Alexius/Josef Krankenhauses sind von Patienten bundesweit gefragt und in der Fachwelt heiß diskutiert.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick beschreitet im Neusser Alexius/Josef Krankenhaus neue Wege und hat große Erfolge mit VR, KI und onlinebasierter Psychotherapie.
Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick beschreitet im Neusser Alexius/Josef Krankenhaus neue Wege und hat große Erfolge mit VR, KI und onlinebasierter Psychotherapie.
St. Augustinus Gruppe Beitrag

Die Patientin, eine Managerin auf Dienstreise, sitzt im Hotelzimmer in Chicago. Ortszeit: 20 Uhr. Zu diesem Zeitpunkt schläft ihr Psychotherapeut in Neuss tief und fest. Aber er hatte verschiedene Arbeitspakete mit Texten, Audios und Videos verschickt und Rückmeldungen auf die Fragen der Patientin gegeben. Ein paar Tage später werden sie sich dazu per Videotelefonie austauschen, und für den kommenden Monat ist ein persönliches Gespräch geplant. „Vielen Patienten ist der face-to-face-Kontakt zum Psychotherapeuten wichtig. Aber es gibt, wie Studien zeigen, auch eine Gruppe von Patienten, die Online-Formate präferieren“, berichtet Prof. Dr. Dr. Ulrich Sprick, Chefarzt  der Ambulanten Dienste und Leiter der Internet-Psychotherapie am Alexius/Josef Krankenhaus in Neuss. Und das liege längst nicht nur an Corona.

 

Online-Therapien bieten tatsächlich viele Vorteile: Patienten können die Programme allein und genau dann durcharbeiten, wenn sie dazu bereit sind. Alles Aufgeschriebene kann noch einmal in stressfreier Situation redigiert werden, und es ist einfacher, auf Früheres zu rekurrieren. „Außerdem öffnen sich manche Patienten dem Therapeuten lieber schriftlich – gerade bei schwierigen, schambehafteten, intimen Themen wie Missbrauch oder Ängsten“, weiß Sprick. Manches traut man sich eben eher zu schreiben, als zu sagen. Und schließlich: Wer online zur Therapie geht, muss nicht zur Sprechstunde. „Es gibt Patienten, die eine konventionelle psychotherapeutische Behandlung als Stigma empfinden“, so Sprick. Er hält es für wichtig, dass Therapeut und Patient sich persönlich kennen. Studien zeigen: Je intensiver der persönliche Kontakt, desto besser die Therapieerfolge. „Daher geht der Trend zu kombinierten Verfahren, in denen es sowohl  schriftlichen Austausch  als auch Vor-Ort-Gespräche gibt.“

 

Ein Problem bleibe, dass Mimik und Gestik online nicht ausreichend abgebildet werden. Nur ein Teil könne dabei durch Videotelefonie ausgeglichen werden. Und es eigneten sich nahezu ausschließlich eindeutige Monodiagnosen: Bei kombinierten Krankheitsbildern wird eine Online-Intervention schwierig, wie beispielsweise bei Halluzinationen oder Derealisationsstörungen. Auch akute Suizidalität ist ein Ausschlusskriterium.

 

Virtual Reality ist in Neuss ebenfalls längst Teil der alltäglichen Praxis, beispielsweise bei der Angsttherapie: „Die Situationen sind exakt planbar, die Bedingungen kontrollierbar und dosierbar. Bei Höhenangst etwa sind die Patienten viel offener gegenüber der Therapie als bei einer Exposition in vivo, denn sie wissen, dass sie nicht in realer Gefahr sind“, erläutert Sprick einen der vielen Vorteile. Künstliche Intelligenz ist eine weitere Ergänzung in Diagnostik und Therapie: Neuste Programme analysieren Kernspin-Scans oder die Stimme des Patienten und geben Aufschluss über gesundheitliche Entwicklungen. Prof.  Sprick: „KI ist in der Lage, bestimmte Parameter aus den Scans herauszulesen, die ein  Psychiater nicht auf Anhieb erkennt.“

 

www.psychiatrie-neuss.de

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