Die elektrische Republik

Auch, wenn es derzeit nicht danach ausieht: Die Zukunft der Mobilität ist elektrisch. Was beim Flugzeug noch Zukunftsmusik ist, nimmt auf der Straße allmählich Form an.
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Illustration: Adrian Bauer
Lars Klaaßen Redaktion

Ausgerechnet im September, als sich in Frankfurt die Internationale Automobil-Ausstellung IAA präsentierte, platzte der VW-Skandal: Manipulierte Abgaswerte bei Dieselfahrzeugen kratzen am Image der deutschen Automobilbranche. Dabei wurde auf der Messe doch gerade gezeigt, dass hiesige Unternehmen nach wie vor technisch ganz vorne sind. Umweltbelastung durch den Straßenverkehr? Die Hersteller kontern mit Entwicklungen wie der Direkteinspritzung bei Benzinern. Die soll Emissionen um rund 15 Prozent senken. Ähnlich wirkt sich die so genannte Start-Stopp-Technologie aus, die den Motor etwa an einer roten Ampel automatisch abschaltet. Elektronik in der Getriebetechnik wiederum vermindert die Reibung und senkt den Spritverbrauch. Doch selbst auf der IAA zeigte sich: Die Zukunft gehört weder Benzin- noch Dieselmotoren.


Ob auf Straße, Gleis oder in der Luft: Alle Zeichen stehen auf „E“ wie elektrisch. So haben Ingenieure der Universität Stuttgart mit einem batteriebetriebenen Flugzeug im Sommer erstmals die Alpen überquert. Auf Hin- und Rückweg verbrauchte ihre „e-Genius“, so die Entwickler, insgesamt lediglich 83 Kilowattstunden – das entspreche der Energie von 9,2 Litern Benzin. Die geringen Emissionen und die Geräuscharmut hätten überzeugt. Auch die Großen vermelden Erfolge durch technischen Fortschritt: Seit 1990 haben die deutschen Fluggesellschaften ihren Treibstoffverbrauch pro Passagier und 100 Kilometer um 42 Prozent verringert. Im Vergleich: 1990 benötigte ein Flugzeug noch durchschnittlich 6,3 Liter pro Passagier und 100 Kilometer. Im vergangenen Jahr sank der Verbrauch der deutschen Fluggesellschaften auf durchschnittlich 3,64 Liter Kerosin auf der gleichen Strecke. „Das ist ein neuer Effizienzrekord“, meldet der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft. „Öko“ ist das allerdings noch lange nicht: In großer Höhe gilt der CO2-Ausstoß von Verbrennungsmotoren als noch klimaschädlicher als am Boden.



Alternative: Erdgas-Autos

Eine technisch ausgereifte Übergangslösung auf dem Weg vom Öl zum Strom fährt schon seit vielen Jahren auf Deutschlands Straßen: Erdgasfahrzeuge. Im Vergleich zu herkömmlichen Benzinern stoßen sie im Schnitt rund 25 Prozent weniger CO2 aus. Auch finanziell ist Erdgas reizvoll: Eine Tankfüllung kostet deutlich weniger, als bei Benzinern. Das liegt an der Begünstigung im Vergleich zur Mineralölbesteuerung. Diese Förderung gilt zunächst bis zum 31. Dezember 2018. Die Regierungskoalition erklärt in ihrem Koalitionsvertrag aber, den verringerten Energiesteuersatz für Erdgas als Kraftstoff über das Jahr 2018 hinaus fortzuschreiben. Bislang sind in Deutschland 100.000 Erdgasfahrzeuge zugelassen, bei 61 Millionen Autos insgesamt. Das liegt auch an der geringen Reichweite von oft nicht mehr als 350 Kilometern – und dem dafür zu weitmaschigen Netz an Tankmöglichkeiten. Doch unter Taxis und Stadtreinigungsfahrzeugen innerhalb der Städte ist Erdgas eine echte Alternative zum Benzin.


Die fernere Zukunft stand auf der IAA ganz im Zeichen der E-Mobilität. Hybridfahrzeuge, die sowohl mit Benzin als auch mit Strom fahren können, sind bereits serienreif. Und bald schon wird es unter der Haube ausschließlich elektrisch.


Skeptiker verweisen auf die zahlreichen offenen Fragen: Unter welchen Einsatzbedingungen sind Elektrofahrzeuge günstiger als Dieselfahrzeuge? Was sind die positiven Umwelteffekte? Und wie steht es mit Nutzerakzeptanz und Zuverlässigkeit in der Praxis? Das Projekt RheinMobil, koordiniert vom Karlsruher Institut für Technologie KIT, beantwortet diese Fragen nun in einer Studie. In einem Flottenversuch wurden über zweieinhalb Jahre 300.000 Kilometer elektrisch gefahren – und das Ganze dann analysiert. Die Ergebnisse wurden auch auf der IAA vorgestellt: „Die Daten zeigen, dass Elektrofahrzeuge bereits heute kostengünstiger und umweltschonender fahren können als vergleichbare Autos mit Verbrennungsmotor“, so Olaf Wollersheim, der das Projekt am KIT leitet. Für die Wirtschaftlichkeit seien hohe Fahrleistungen entscheidend, für den Klimaschutz wiederum sei es essentiell, dass das Elektroauto mit 100 Prozent Ökostrom geladen wird. „Nur dann ist die Elektromobilität wirklich nachhaltig“, sagt Wollersheim. „Außerdem möchten die Nutzer weder auf den gewohnten Komfort verzichten noch ihr Mobilitätsverhalten ändern, wenn der Verbrennungsmotor gegen den Elektroantrieb getauscht wird. Der Fahrzeugeinsatz bei unseren Industriepartnern Michelin und Siemens hat diese Voraussetzungen ideal erfüllt.“


Kabelloses Aufladen

E-Autos haben im Alltagseinsatz bislang noch zwei Nachteile: Die Reichweite mit einer Akku-Ladung ist gering, und Aufladen dauert lange. Eine Alternative bieten kabellose induktive Ladesysteme: Dabei wird die Energie über ein zeitveränderliches Magnetfeld übertragen. Herzstück der Technologie sind zwei Spulen – eine ist in der Straße, auf dem Parkplatz oder in der Garage integriert, eine zweite am Unterboden des Autos. Je näher die beiden Spulen beieinander liegen, desto effizienter wird die Energie übertragen. Forscher am Fraunhofer-Institut für Windenergie und Energiesystemtechnik IWES in Kassel haben solche induktiven Ladesysteme nun kostengünstiger gestaltet. „Wir nutzen bewusst Standardkomponenten, die bereits auf dem Massenmarkt verfügbar sind“, erläutert Dipl.-Ing. Marco Jung, stellvertretender Abteilungsleiter für Stromrichtertechnik am IWES.


Künftig könnten die Autos damit auch während der Fahrt geladen werden: Forscher von zwei Fraunhofer-Instituten haben eine 25 Meter lange Versuchsstrecke aufgebaut, bei der die Spulen in die Fahrbahn eingearbeitet wurden.


Bei allem technischen Fortschritt sind zwei Arten der Mobilität dennoch unerreicht: Wer zu Fuß geht oder Rad fährt, kommt nach wie vor am umweltschonendsten voran – und Entschleunigung soll ja auch das Wohlbefinden stärken.

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