Ass im Ärmel

Ist der Boom der Elektrofahrzeuge schon vorüber oder steht er erst noch bevor? Vorerst setzen die Fahrzeugtechniker auf Hybridfahrzeuge. Sie bereiten der Elektromobilität den Weg.
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Mirko Heinemann Redaktion

Auf Rügen gibt es seit diesem Jahr ein brandneues touristisches Angebot. Feriengäste können die größte Insel Deutschland in Autos der DDR-Marke Trabant erkunden. Die Auspuffgase der wegen ihrer Baumwollfaser-Karosserie auch als „Rennpappe“ belächelten Kleinstwagen bestimmten einst das Duftbild der DDR-Städte. Bei den Trabis auf Rügen ist das anders: Das Unternehmen Karabag hat die alten Zweitakter ausgebaut und durch Elektromotoren ersetzt. 

 

„Man tritt aufs Gas, und es geht mit einem starken Schub nach vorn“, sagt Caren Bakker von der Tourismuszentrale Rügen. „Dabei summen die nur leise.“ Die Probefahrt in einem der neuen E-Trabanten hat sie begeistert. „Einerseits fährt man wie zu DDR-Zeiten. Anderseits haben die Fahrzeuge moderne und umweltfreundliche Antriebe. Es ist wie eine Zeitreise rückwärts und gleichzeitig vorwärts.“ 

 

Unter der Marke ReeVOLT bietet Karabag Umrüstsätze für alle gängigen Automobile an, heißt es beim Unternehmen. Die Umrüstung selbst erledigt dann eine Vertragswerkstatt in Kundennähe. Für VW Käfer, Fiat 500 und Ford Ka existieren bereits Mustergutachten zur Abnahme beim TÜV. Der Preis für die Umrüstsets dieser Kleinwagen liegt allerdings bei happigen 10.000 Euro. 

 

Ein Nischenprodukt wie dieses ist natürlich kein Indikator für das Marktpotenzial der Elektromobilität. Nur ein schönes Beispiel dafür, welche Vielfalt von Ideen die Fahrzeugtechniker heute realisieren. Der Elektroantrieb ist nur ein Thema, das die Fahrzeugindustrie umtreibt: Neue Autos sind gefragt. Fahrzeuge aus leichten und gleichzeitig stabilen Materialen, mit intelligenter Steuerung und vernetzter Elektronik. Modular und verbrauchsarm. Umweltfreundlich und leise. 

»Die Entscheidung für ein neues Auto ist eine emotionale.«

Letztlich gelangt man am Ende dieses Weges immer wieder zum Elektrofahrzeug. E-Mobile sind leise, umweltfreundlich, sparsam im Energieverbrauch. Geht es nach der Bundesregierung, sollen 2020 eine Million dieser Stromer in Deutschland zugelassen sein. Nur leider ist unter den Verbrauchern kein Elektro-Boom in Sicht. Im vergangenen Jahr wurden laut Kraftfahrtbundesamt 8.522 Elektro-Autos neu zugelassen, dazu kamen 27.435 Hybrid-Autos, die sowohl mit E-Motor als auch mit Verbrennungsmotor angetrieben werden. Zum Vergleich: Die Zahl aller im vergangenen Jahr zugelassener Pkw betrug 3,04 Millionen Stück. 

 

Warum ist das Interesse an dieser neuen Antriebstechnologie so gering? Laut „Mobilitätsstudie 2015“ des Reifenherstellers Continental bewertet eine klare Mehrheit von über 70 Prozent rein elektrisch betriebene Fahrzeuge zwar als besonders umweltfreundlich und vernünftig. Doch nur ein Viertel der Befragten verknüpft damit Fahrspaß, attraktives Design und Sportlichkeit – kaufentscheidende Faktoren. Die infas-Studie, die Autofahrer repräsentativ in Deutschland und den USA sowie qualitativ in Frankreich, Japan und China befragt hat, sieht in allen Altersgruppen eine gesunkene Bereitschaft, mittelfristig ein reines Elektroauto zu nutzen. 

 

„Nach dem Boom vor einigen Jahren befinden sich reine Elektroautos aktuell in einer Imagefalle“, so José Avila, Continental-Vorstandsmitglied und Leiter der Division Powertrain. Einen Ausweg sieht er in der Hybridisierung – also der Kombination von hoch modernen Verbrennungsmotoren und Elektromotoren: „Zunehmende Hybridisierung inklusive der 48-Volt-Technik wird der Elektromobilität den Weg bereiten. Sie ermöglicht ein vernünftiges Kosten-Nutzen-Verhältnis und erlaubt es Autofahrern zudem, erste Erfahrungen mit Elektromobilität zu sammeln.“

 

Ein Geburtshelfer dieser „Imagefalle“ ist sicherlich der niedrige Ölpreis. Der als preiswert empfundene Kraftstoff lässt die Nachteile der E-Fahrzeuge – höhere Anschaffungskosten und eine geringere Reichweite – noch gewichtiger erscheinen. Für Autokäufer ist die Notwendigkeit für einen Umstieg derzeit nicht gegeben. Über die reinen Kostenfaktoren hinaus ist die Entscheidung für die Anschaffung eines Autos allerdings auch eine emotionale. Laut einer Studie der Commerzbank denken Bundesbürger über die Anschaffung eines neuen Fahrzeugs 37 Stunden lang nach, fast doppelt so lange wie über die finanzielle Absicherung im Alter. Vor allem bei Männern, der Mehrheit der Autokäufer, stehen rationale Erwägungen eher hintenan. Zwar wird gerne kolportiert, das Auto habe als Statussymbol ausgedient. Doch die Realität sieht anders aus: Das Auto muss Status verkörpern, um zum Erfolgsschlager zu werden. 

 

Die Autohersteller stehen derzeit vor der großen Herausforderung, das Image des Elekroautos von der Öko-Kutsche zum Statussymbol zu wandeln. So, wie es der US-amerikanische Autobauer Tesla vorgemacht hat. Seine Modelle Roadster und Model S gelten mit ultrastarken Antrieben, hoher Reichweite und luxuriöser Ausstattung als Nonplusultra automobiler Emotionen. Auf die Fersen der kalifornischen Elektro-Pioniere gesetzt hat sich eine deutsche Premium-Marke: Als über 100.000 Leser der ADAC-Zeitschrift „Auto Motor und Sport“ das „beste Auto 2014“ kürten, landete mit dem BMW i3 in der Kategorie Kleinwagen ein Elektroauto auf dem ersten Platz. 

 

Der Rest der Autonation Deutschland zieht jetzt nach: Im vergangenen Jahr haben die hiesigen Hersteller 17 elektrische Serienmodelle auf den Markt gebracht, für dieses Jahr sind 13 weitere angekündigt. Der Verband der Automobilindustrie VDA sieht Deutschland an einer neuen Wegmarke: „Schritt für Schritt formiert sich ein junger, noch kleiner Markt mit einer hohen Marktdynamik.“ Unter den Neuentwicklungen sind auch spektakuläre „Emotions-Autos“. So sorgte der mit einem Hybridantrieb ausgestattete BMW i8 bei seiner Vorstellung auf der letztjährigen Internationalen Automobilausstellung IAA für Furore: Der kombinierte Verbrennungs- und Elektromotor katapuliert das Gefährt in 4,4 Sekunden von 0 auf 100 km/h und ermöglicht eine Spitzengeschwindigkeit von 250 km/h. Dabei bietet er die Verbrauchs- und Emissionswerte eines Kleinwagens.

 

Vor allem Fahrzeuge mit extern aufladbaren Batterien und zusätzlichem Benzinmotor, so genannte Plug-In-Hybride, bieten sich als interessante Alternative zum herkömmlichen Benziner an. Reine Batteriefahrzeuge versprechen am ehesten als Kleinwagen Erfolg: Die Stärke von Volkswagen e-Up!, Smart Fortwo Electric Drive oder Citroën C-Zero liegt nicht in der Überlandfahrt, sondern in der Kurzstrecke: in Ballungszentren, als Teil von Car Sharing-Systemen oder einer „grünen Fahrzeugflotte“ nachhaltig denkender Unternehmer. 

 

Eines ist jedenfalls absehbar: Die Spritpreise werden wieder steigen. Und dann könnte die aktuelle Elektro-Skepsis der Verbraucher ganz schnell in einen Boom umschlagen. Das Ass im Ärmel der Automobilbauer wird dann ihre E-Mobility-Strategie sein. 

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