Schlanke Lieferketten

Die Globalisierung wird erst durch reibungslos funktionierende Lieferketten ermöglicht. Klimawandel und Digitalisierung stellen die Branche vor große Herausforderungen.
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Illustration: Wyn Tiedmers
Lars Klaaßen Redaktion

Deutschland zählt zu den führenden Exportnationen der Welt. Der Anteil der Ausfuhren am Bruttoinlandsprodukt beträgt rund 50 Prozent und jeder vierte Arbeitsplatz hängt hierzulande davon ab. Diese Gewichtung dürfte sich künftig wohl noch verstärken: Bis 2050 wird die Weltökonomie laut OECD um den Faktor vier, der Frachttransport in den Nicht-OECD-Staaten um den Faktor sechs wachsen. Der Güterverkehr in Deutschland wird sich in den Wachstumsregionen und auf den Nord-Süd- und Ost-Westachsen in den nächsten 20 Jahren vermutlich verdoppeln. Für jeden Bundesbürger werden schon heute pro Jahr rund 45 Tonnen Güter bewegt – von täglich zwei Millionen Transportfahrzeugen. Diese Zahlen verdeutlichen, dass unser Wohlstand auf reibungslos funktionierenden Lieferketten basiert, gewährleistet von einer effektiven Logistik. Klimawandel und Digitalisierung stellen die Akteure dieser Branche vor neue Herausforderungen – Nachhaltigkeit und Effizienz sind gefragt.

 

„Wenn man betrachtet, wie schnell das Smartphone sich etabliert und unseren Alltag stark verändert hat, bekommt man einen Eindruck davon, was im Transportwesen bevorsteht“, sagt Michael Benz, Professor am Logistik Institut der International School of Management in Frankfurt am Main. Sensoren ermöglichen es bereits heute, zu erfassen wer oder was sich wo befindet, Telematikdaten können im großen Stil erfasst und analysiert werden. „Die Smart-Mobility ist zwar bereits Realität“, so Benz, „da schlummern aber aufgrund der zahlreichen Vernetzungsmöglichkeiten nach wie vor riesige Potenziale.“ Bei der Logistik wird es sehr bald zu spürbaren Veränderungen kommen: „Je mehr Transparenz in einer Logistikkette vorhanden ist, umso eher und genauer kann ich sie beplanen, also einen schlanken Prozess abbilden“, sagt Benz. „So lassen sich Bestände senken, Prozesse besser synchronisieren und Kosten einsparen.“

 

Das starke Wachstum des Welthandels bewältigt die Digitalisierung damit allein aber nicht. „In vielen urbanisierten Ballungsräumen sind die Kapazitätsgrenzen schon heute erreicht“, sagt Stephan Rammler. Der Professor am Institut für Transportdesign der Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig beschäftigt sich mit der Zukunft der Mobilität. In seinem neuen Buch „Schubumkehr“ plädiert er für eine drastische Richtungsänderung. „Mobilität ist von fundamentaler Bedeutung für unsere arbeitsteilige Ökonomie wie für unseren privaten Lebensstil, aber extrem produkt- und ressourcenintensiv.“ Globalisierung hat vor allem auf dem Arbeitsmarkt stattgefunden. Extreme Kostengefälle machten es rentabel, Produktionen in andere Erdteile auszulagern und dafür weite Transportwege in Kauf zu nehmen. „Die Digitalisierung wird viele Arbeitsplätze durch Computer und Roboter überflüssig machen“, so Rammler. „Dann wird verstärkt wieder am Zielort produziert, um Lieferkosten zu senken.“ Was aber bleibt, sind die Transportwege innerhalb der Ballungsräume. E-Mobilität könnte das Problem der Emissionen lösen. „Ohne effizientes Logistik-Management, das eine gesamte Region umfasst“, sagt Rammler, „lässt sich das Problem knapper Kapazitäten im Straßenraum aber nicht lösen“.  

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