Effzienter auf der letzten Meile

Die Städte ächzen unter der hohen Frequenz der Lieferverkehre. Lösungen für die City-Logistik sehen Experten in Smart-Data-Anwendungen, autonomen Systemen und der E-Mobilität.
Illustration: Agata Sasiuk
Mirko Heinemann Redaktion

Das Transportaufkommen in Deutschland steigt immer weiter. 2016 waren 4,6 Milliarden Tonnen Güter auf Lastkraftwagen, Seeschiffen, Binnenschiffen, Eisenbahnen und Flugzeugen unterwegs. Ein Großteil davon wird in Deutschland zugestellt oder abgeholt, nur knapp ein Fünftel ist Durchgangsverkehr. Immer mehr Konsumgüter, Lebensmittel, Baustoffe, Industriegüter gehen in die Städte, wo bereits mehr als die Hälfte der Bevölkerung lebt und arbeitet. Dort werden die Verkehrsströme immer dichter, die Belastung durch Lärm und Schadstoffe nimmt zu.

 

Der Druck auf die Logistikindustrie steigt, effizientere und sauberere Lösungen für die City-Logistik zu entwickeln. Zum einen wächst der Konkurrenz- und Qualitätsdruck in der international ausgerichteten Branche stetig, zum anderen soll in Deutschland bis 2050 der Sektor Verkehr CO2-neutral werden. Logistikdienstleister werden zukünftig eine Analyse ihrer Emissionen entlang der gesamten Logistikprozesse erstellen müssen. Alle deutschen Großstädte, das sind Städte mit mehr als 100.000 Einwohnern, arbeiten bereits an Strategien, wie sie mit den Folgen des Klimawandels umgehen wollen. Jede zweite deutsche Großstadt hat bereits eine Strategie vorgelegt.


Das Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik hat sich in der jüngsten ZF-Zukunftsstudie mit der so genannten „letzten Meile“ zum Verbraucher beschäftigt. Die für den Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen und den ETM-Verlag erstellte Studie untersucht aktuelle Trends in der Lieferlogistik und zeigt Prognosen für die kommenden 15 Jahre auf. Es sind vor allem neue technologische Lösungen wie Elektromobilität, Autonomes Fahren, 3D-Druck oder der Paketzustellroboter, welche  die urbane Logistik revolutionieren werden, so Alex Vastag, Leiter Verkehrslogistik am Fraunhofer-Institut für Materialfluss und Logistik.

 

Digitale Optimierung des Routings


Die größten Hoffnungen liegen dabei auf der Digitalisierung: 2030 werde das Internet der Dinge in das Alltagsleben und die Wirtschaft integriert sein. Die weitere Zunahme der Austauschbeziehungen zwischen immer mehr Unternehmen und Privatpersonen in komplexeren Systemen jedoch benötige mehr digitale Effizienz beim Informationsaustausch. In den „Smart Cities“ der Zukunft laufen alle Informationen zu den städtischen Infrastrukturen, Akteuren, Ereignissen zusammen und ergeben ein „digitales Abbild der Stadt“, so die Experten. Große Optimierungspotenziale böten sich für das Routing auf der letzten Meile und die Paketübergabe. Ein Bremsklotz ist die Nutzung der Bewegungsdaten von Fahrzeugen oder auch Personen, die zwar technisch möglich ist, datenschutzrechtlich aber kritisch.


Ebenfalls in Deutschland noch rechtlich eingeschränkt, entstehen etwa in den USA und der Schweiz bereits Plattformen, die den Transport von Sendungen durch Privatpersonen als neues Geschäftsfeld erschlossen haben. Auf einer Art Börse werden Transportangebote und -nachfragen verknüpft. Die Anbieter der Mitfahrzentrale für Pakete werben mit Ersparnissen von 80 Prozent im Vergleich zum professionellen Transport. Neben dem Preis können gerade in urbanen Räumen aufgrund der vielen bestehenden Verkehre auch Lieferzeiten drastisch verkürzt werden. Privatpersonen fungieren auf ihren täglichen Wegen als Kurierfahrer und stellen Pakete auf direktem Wege am gleichen Tag zu. Amazon verfolgt derzeit die Idee, über „Anticipatory Logistics“ die Bestellungen ihrer Kunden in Ballungsräumen vorherzusagen und somit die Logistikprozesse bereits vor der tatsächlichen Bestellung anzustoßen. Das führt zu einer Verringerung von Reaktionszeiten sowie Lager- und Transportkosten.


In der Studie „Transportation & Logistics 2030“ der Unternehmensberatung PriceWaterhouseCoopers empfehlen die Autoren, zur Verbesserung der City-Logistik könnten Regierungen Monopole zur Auslieferung auf der letzten Meile schaffen und einzelnen Logistikdienstleistern das Recht einräumen, bestimmte Stadtteile exklusiv zu beliefern. Die PwC-Experten halten eine solche Regulierung jedoch für unwahrscheinlich. Eine alternative Lösung für Logistikdienstleister in Großstädten stelle die Kooperation mit Mitbewerbern dar, die so genannte Coopetition. Hier könnten auch durch Digitalisierung sowohl auf Seiten der Logistikdienstleister als auch bei Versendern und Warenempfängern Datenpools entstehen, mit denen durch gezielte Kooperation Effizienzgewinne erzielt werden können.

Letzte Meile muss kürzer werden

Die Experten des Fraunhofer ILM wiederum gehen davon aus, dass künftig die letzte Meile in der City-Logistik verkürzt werden muss. Die Logistik werde sich „nah an oder im Herzen von Metropolen niederlassen müssen, um die hohe Warenverfügbarkeit anbieten zu können“, so die Studie. Hier sind auch die Städte selbst gefragt, ihre Versorgungs-, Kultur- und Freizeitangebote besser zu planen: Kurze Wege in der Stadt führen zu einer geringeren Umweltbelastung.


Das Umweltbundesamt hat hierzu das Sachverständigengutachten „Leitkonzept Stadt und Region der kurzen Wege“ vorgelegt. Ein Konzept der Zukunft ist etwa die Belieferung von Supermärkten in der Nacht – mit leisen Elektro-Lkw. Ohne die Verlagerung in die Nacht werde man den Verkehr in den Städten auf Dauer nicht in den Griff bekommen, so das Umweltbundesamt. Die Grundlage für solche Nachtbelieferungen könne nur die Elektromobilität darstellen.


Eine Bestätigung liefert eine vom Öko-Institut für das Umweltbundesamt erarbeitete Studie über die volkswirtschaftlichen Kosten für die notwendige Energiewende im Verkehr. Berücksichtigt wurden die Kosten für die Anschaffung der Fahrzeuge, den Aufbau der Tankstellen- und Ladeinfrastruktur sowie die Energiebereitstellung für den gesamten Zeitraum von 2010 bis 2050. Das Ergebnis der Studie ist eindeutig: Die Elektromobilität verursacht volkswirtschaftlich die geringsten Mehrkosten für die Energiewende im Straßenverkehr. Daher setzt sich Maria Krautzberger, Präsidentin des Umweltbundesamts, mit Nachdruck für mehr Tempo ein: „Wir müssen noch schneller als bisher die Elektromobilität am Markt etablieren – auch für Busse, Lkw und Transporter.“ 

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