Alternative Antriebe

Die elektrische Antriebstechnik hat viele Vorteile, ist besonders in der Rohstoff-Frage aber nicht unproblematisch. Alternativen sollten deshalb nicht aus dem Fokus geraten.
Illustration: Wyn Tiedmers
Mirko Heinemann Redaktion

Messegelände Berlin, der 14. Mai: Diese Volkswagen-Hauptversammlung hatte es in sich. Der größte Automobilkonzern der Welt erklärte, wie er seinen zuvor angekündigten radikalen Schwenk in seiner Firmenpolitik umsetzen möchte. Danach möchte der Autobauer bis in den nächsten zehn Jahren 70 neue Elektroauto-Modelle auf den Markt bringen, 20 Modelle mehr, als zuvor geplant waren. Der Anteil der E-Mobile in der Flotte soll bis 2030 auf mindestens 40 Prozent angehoben werden. „Die E-Mobilität ist – auch für Sie als Aktionärinnen und Aktionäre – der mit Abstand effizienteste Weg zur Dekarbonisierung und zum Erreichen der CO2-Flottenziele“, erklärte VW-Chef Herbert Diess. „Wir wollen die individuelle Mobilität für Millionen von Menschen auf der ganzen Welt auch in Zukunft erhalten. Es geht darum, Mobilität noch sicherer, sauberer, intelligenter und vor allem CO2-neutral zu machen.“


Das Bekenntnis zur E-Mobilität folge nicht nur politischen, sondern auch ökonomischen Erwägungen, so VW. Der Konzern hat ausgerechnet, dass auf 200.000 Kilometer Fahrleistung ein Elektroauto über den gesamten Lebenszyklus rund 400 Wattstunden pro Kilometer braucht – einschließlich der Herstellung. Es arbeite damit wesentlich effizienter als andere alternative Antriebe. Der Antrieb per Strom sei dreimal so effizient wie synthetische Kraftstoffe und auch der Brennstoffzelle deutlich überlegen. „Aus unserer Sicht gibt es in der nächsten Dekade keine Alternative zur E-Mobilität.“


Bisher aber ist von einer Elektrifizierung der Mobilität nicht viel zu sehen: Zum Jahreswechsel fuhren rund 150.000 E-Autos in Deutschland.  Und aktuell ist nur jeder 40. Neuwagen ein Elektroauto mit Batterieantrieb oder mit der als Übergangstechnologie geltenden Plug-in-Hybrid-Technik, also Verbrennungsmotor plus E-Antrieb mit Akku, der an der Steckdose aufgeladen werden kann.


Mit der Ankündigung von VW ist das Wettrennen um die Technologieführerschaft entbrannt. Auf dem für die E-Mobilität wichtigen Feld der Batterietechnik konkurrieren die Konzerne aber schon lange. Die Folgen für Europa: Bei der Herstellung von Batterien für Elektrofahrzeuge etwa hinken die hiesigen Unternehmen weit hinterher. China ist Weltmarktführer, gefolgt von den USA. Dazu kommt, dass die deutschen und europäischen Stromnetze erst einmal ertüchtigt werden müssten, eine hohe Zahl an Elektroautos zu verkraften. Auch hier sind die Chinesen vorn.


Bundeskanzlerin Angel Merkel glaubt trotz erheblicher Verzögerungen in der Entwicklung der Elektromobilität noch an eine europäische Technikführerschaft in diesem Bereich. Zwar habe Europa bei der Entwicklung von Batteriezellen im Vergleich mit asiatischen Herstellern an Kompetenz verloren, sagte Merkel laut heise.de bei einer Veranstaltung zum 70-jährigen Bestehen der Fraunhofer-Gesellschaft in München.


Eine europäische Chance biete aber die Weiterentwicklung von Batterietechnik: „Wenn wir das als wichtiges Projekt von gemeinsamen europäischen Interesse einstufen, dann haben wir eine Chance“, sagte Merkel. Diese mögliche europäische Forderung könne mit der Produktion von Batteriezellen in einer eigens dafür ausgestatteten Forschungsfabrik verbunden und vorbereitet werden.


Die Forschungsfabrik wird derzeit ausgeschrieben. Neben den Mitteln für die Fertigungstechnik sollen dafür laut Merkel 500 Millionen Euro aufgewendet werden. Jedes Bundesland dürfe sich mit einem Vorschlag bewerben, ergänzte NRW-Wissenschaftsministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen. Die Bundesregierung wolle vor der Sommerpause über den Standort entscheiden.


Was aber ist mit den Rohstoffen, die man für die Fertigung der hochgezüchteten Fahrzeug-Akkus braucht? Ein wichtiger Bestandteil dieser Akkus ist Lithium. Rund zehn Kilo davon brauchen die Hersteller für eine einzige Elektroauto-Batterie. Allein seit 2016 hat sich der weltweite Lithiumabbau mehr als verdoppelt. Experten schätzen, dass bis 2030 jedes Jahr mehr als 240.000 Tonnen Lithium in der Automobilindustrie gebraucht werden.


70 Prozent der weltweiten Lithium-Vorkommen lagern im Dreiländereck Bolivien, Chile, Argentinien. Im Deutschlandfunk wies der Hydrologe Marcelo Sticco von der Universität Buenos Aires auf einen fatalen Zusammenhang hin: Beim Abbau des Rohstoffs würden Maschinen den Untergrund derart umpflügen, dass sie die natürlichen Barrieren zwischen Salz- und Süßwasser zerstörten. Folge: Das Wasser werde kontaminiert, die Lebensgrundlage der indigenen Bevölkerung zerstört.


Matthias Buchert vom Öko-Institut plädiert daher für die internationale Einführung ökologischer Standards. „Die Automobilindustrie ist hier in der Verantwortung. Wenn sich die Autogiganten wie VW, BMW, Toyota oder Daimler zusammenschließen, hätten sie die nötige Nachfragemacht, um anspruchsvolle Standards bei der Lithiumproduktion einzufordern“, so Buchert. Als noch problematischer als Lithium gilt die Förderung von Kobalt. Das Metall wird unter anderem von Kindern in illegalen Gruben im Kongo abgebaut. Deshalb haben einige Konzerne bereits angekündigt, langfristig auf Kobalt in ihren Akkus verzichten zu wollen.


Eine Alternative zur Akku-Technologie wäre die Brennstoffzellen-Technologie. Hier produzieren mit Wasserstoff betriebene Brennstoffzellen an Bord der Fahrzeuge den Strom für die E-Motoren durch eine chemische Reaktion zwischen dem Wasserstoff und Sauerstoff aus der Umgebungsluft. Vorteil: Wasserstoff lässt sich schneller tanken als eine Batterie laden, zudem ist auch die Reichweite von Brennstoffzellenautos größer als die von Akkus betriebener Fahrzeuge. Als Emission tritt reiner Wasserdampf aus.


Der Nachteil: Wasserstoff steht nicht in ausreichendem Maß zur Verfügung. Um Wasserstoff aus erneuerbaren Energien und damit CO2-frei herzustellen, sind sogenannte Power-to-Gas-Anlagen notwendig. Sie nutzen den Strom, um Wasser in seine Bestandteile Wasserstoff und Sauerstoff aufzuspalten. Derzeit laufen davon in Deutschland rund 50 Anlagen im Pilotbetrieb, eine Produktion in industriellem Maßstab ist noch Zukunftsmusik. Ein weiterer Nachteil sind die wenigen Wasserstofftankstellen, die in Deutschland zur Verfügung stehen. Nur ein paar Dutzend davon gibt es bundesweit.


Aber auch die Ladeinfrastruktur für Akkus ist noch spärlich gesät: In Deutschland sind gerade mal rund 11.000 Ladepunkte in Betrieb. Zum Vergleich: In China sind es heute schon 300.000 Stationen, und das Land strebt einen weiteren massiven Ausbau auf 500.000 Ladestationen im Jahr 2020 an. Auch hier also besteht erheblicher Nachholbedarf.

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