Die Vertrauensmaschine

Die sogenannte Blockchain soll Banken überflüssig und Betrug unmöglich machen. Doch welches Potenzial hat die Technologie wirklich?
 Illustration: Friederike Olsson
Illustration: Friederike Olsson
Klaus Lüber Redaktion

Die Idee ist wahrhaft disruptiv: 2008 tauchte im Internet ein Paper auf, in dem ein ominöser Autor namens Satoshi Nakamoto behauptete, ein fälschungssicheres Online-Bezahlsystem entwickelt zu haben, das ohne Banken auskommt. Dabei speichert eine spezielle Datenbank namens Blockchain sämtliche Transaktionen einer neuen virtuellen Währung namens Bitcoin in einem digitalen, dezentral organisierten Kassenbuch. Das Journal wird vom Netzwerk der User aktuell gehalten und verifiziert. Auf eine zentrale Instanz ist es nicht mehr angewiesen.

Inzwischen ist das Konzept, auch dank der Börsen-Karriere von Bitcoin, in aller Munde und es stellt sich vor allem für die Finanzindustrie die Frage: Wie groß ist das Veränderungspotenzial der Technologie wirklich? Und was hat das für konkrete Auswirkungen auf unsere Branche? Werden wir tatsächlich überflüssig?

Darauf gibt es mehrere Anworten. Man müsse, so Andranik Tumasjan, Professor für Management und Digitale Transformation an der Universität Mainz, zunächst klar zwischen einem stark disruptiven, aber eher langfristig zu erwartenden und einem eher systemkonformem kurzfristigen Effekt unterscheiden. „Auf der einen Seite haben wir die Vision dezentraler Geschäftsmodelle, wie sie im Grundkonzept der Bitcoin-Blockchain angelegt ist und wie sie inzwischen von immer mehr Startups angestrebt wird.“ Vielversprechende Ansätze sieht er etwa im Energiesektor. So wäre es möglich, mithilfe der Blockchain-Technologie Mikropayment-Systeme aufzusetzen. Die Besitzer einer Solaranlage könnten ihren Strom etwa zum Laden einer Paketdrohne zur Verfügung stellen oder direkt an den Nachbarn verkaufen. Abgerechnet würde über automatisierte, elektronische Verträge, sogenannte Smart Contracts.

Solche Smart Contracts spielen auch bei größeren Enterprise-Anwendungen eine entscheidende Rolle, an denen im Augenblick besonders große Konzerne arbeiten, etwa aus der Finanz-, Versicherungs- und Logistikbranche. Allerdings, betont Tumasjan, werde die Blockchain-Technologie im Enterprise-Kontext bisher noch nicht dazu eingesetzt, radikal neue Geschäftsmodelle zu erschließen, sondern vielmehr, bestehende zu optimieren.

So arbeitet das Digital Trade Chain Consortium, ein Verbund aus aktuell sieben europäischen Banken und IBM, an einer Plattform namens we.trade, das den internationalen Handel für mittelständische Unternehmen erleichtern soll. Die Idee: Alle Vertragskomponenten, von der Rechnungsstellung über die Zollunterlagen bis hin zur Auslieferung, wären über die Blockchain darstellbar, der immer noch umständliche papierbasierte Lieferprozess bekäme einen deutlichen Effizienzschub. Auch ließe sich das Risiko eines Zahlungsausfalls drastisch reduzieren. In einem automatisierten Smart Contract kann festgelegt werden, dass die Ware erst ausgeliefert wird, wenn der Kunde gezahlt hat. Das Unternehmen B3i, vormals ein Konsortium namens Blockchain Insurance Industry Initiative, das von den Versicherungskonzernen Allianz, Aegon, und Zurich sowie den beiden Rückversicherern Munich Re und Swiss Re gegründet wurde, möchte die Blockchain-Technologie über Smart Contracts in der Versicherungsbranche etablieren – mit dem Ziel, Geschäftstransaktionen zu optimieren. Ein weiterer Ansatz, den etwa der Konzern AXA im September letzten Jahres als Anwendung vorstellte, sind sogenannte parametrische Versicherungspolicen, die Ansprüche automatisch prüfen und Auszahlungen selbstständig vornehmen können, etwa bei Flugverspätungen.

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