Ohne Speicher ist alles nichts

Der Ausbau der Erneuerbaren Energien wird ohne industriell nutzbare Zwischenspeicher an seine Grenzen stoßen. Ein Überblick über die gängigen Technologien.
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Illustration: Julia Körtge
J. W. Heidtmann Redaktion

Der Strom der Azoreninsel Graciosa wird von Dieselgeneratoren erzeugt, Treibstoff muss importiert werden. Ende dieses Jahres sollen die 5000 Insulaner ein ganzes Stück unabhängiger sein. Das Berliner Unternehmen Younicos baut das Energiesystem der Insel um, so dass ein Großteil des verbrauchten Stroms durch erneuerbare Energien abgedeckt werden kann. Das System besteht aus Photovoltaik-Modulen und Windenergieanlagen als Energielieferanten – und aus einem Batteriepark mit 2,7 Megawatt Leistung als Energiespeicher. Die Software reagiert binnen Millisekunden auf Veränderungen von Stromproduktion oder Stromnachfrage und regelt entsprechend den Energiespeicher. 

 

Das Projekt zeige, dass eine stabile Versorgung mit erneuerbarer Energie mit heute verfügbaren Speichertechnologien möglich ist, so Philipp Hiersemenzel, Sprecher von Younicos. Probleme machten weniger die großen Energieschwankungen: „Die Herausforderung ist eher die Wolke, die sich vor die Sonne schiebt, die schnell ausgeglichen werden muss.“ 

 

Das Projekt zeigt, wo die eigentlichen Herausforderungen der Energiewende liegen: im Ausgleich von Energieströmen, die volatile Energiequellen wie Sonne oder Wind nutzen. Das viel zitierte „Smart Grid“, das intelligente Stromnetz, das Energieströme dorthin verteilt, wo sie gerade benötigt werden – ohne innovative Speicherlösungen wird es nicht funktionieren. Die praxistauglichen Technologien hierfür sind begrenzt: Die gängigen Stromspeicher sind in der Regel Batterien, also Akkus, die auf Basis von Lithium oder Schwefelsäure (Bleiakkus) arbeiten. Elektroautos fahren in der Regel mit Lithiumbatterien, die schnell eine Vierteltonne Gewicht auf die Waage bringt. Säure-Akkus sind noch schwerer und taugen daher eher für den stationären Einsatz. Dafür sind Bleiakkus weniger gefährlich. Weil Lithium, das mit Wasser in Berührung kommt, starke chemische Reaktionen hevorruft, müssen beim Einbau von Lithiumbatterien hohe Sicherheitsanforderungen beachtet werden. 

 

Eigene Speicher, um selbst produzierten Strom zum Beispiel nachts verbrauchen zu können, werden unter Betreibern von Photovoltaik-Anlagen immer populärer. Der letzte Schrei: so genannte Cloud-Speicher. Hier wird überschüssiger Strom aus Photovoltaik-Anlagen, den Hausbesitzer nicht selbst verbrauchen können, im Batteriepark eines Cloud-Anbieters zwischengespeichert. 

 

Denkt man allerdings in nationalen oder gar kontinentalen Ausmaßen, sind die teuren und materialintensiven Batterielösungen nur begrenzt geeignet. Bei Pumpspeicherkraftwerken wird Wasser in ein höher gelegenes Becken gepumpt. Fließt es ab, betreibt es eine Turbine, die wiederum Strom erzeugt. In Zukunft setzt die Industrie auf die sogenannte „Power to Gas“-Technologie. Überschüssiger Strom wird genutzt, um via Elektrolyse Wasser zu Sauerstoff und Wasserstoff aufzuspalten. Der Wasserstoff kann entweder direkt als Brennstoff benutzt oder durch Methanisierung zu Erdgas umgewandelt werden. Dieses synthetische Erdgas kann in die vorhandene Erdgas-Infrastruktur eingespeist werden. Es kann in Gasspeichern gelagert und bei Bedarf entweder in Gaskraftwerken zu Strom umgewandelt oder direkt als Brennstoff verwendet werden. Deutschlandweit wurde bisher rund ein Dutzend Power to Gas-Anlagen errichtet, die Technologie befindet sich aber noch im Pilotstadium. 

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