Neue Fortschrittskultur

Die Redaktion befragt Akteure zu Innovationen auf ihrem Fachgebiet.
März 2018 Die Zeit Zukunft Medizin

»Wir brauchen eine neue Fortschrittskultur.«

Joachim M. Schmitt Geschäftsführer und Vorstandsmitglied; Bundesverband Medizintechnologie (BVMed)

Der menschliche Körper ist ein großes Wunder. Moderne Medizintechnologien helfen, dieses Wunder zu bewahren. Mit moderner Glukosemessung und Insulinpumpen helfen wir 2 Millionen Diabetikern, das Leben zu genießen. Kunstlinsen ermöglichen 800.000 Patienten mit Grauem Star, schöne Dinge klar zu sehen. Gelenk-Implantate helfen 400.000 Menschen jährlich, schmerzfrei mobil zu bleiben. Jahr für Jahr sorgen 160.000 Schrittmacher dafür, dass das Herz im Takt bleibt.

Den menschlichen Körper zu erhalten, ist die tägliche Herausforderung der Medizintechnologie. Der medizintechnische Fortschritt ist dabei das Ergebnis einer Vielzahl kontinuierlicher Produkt- und Prozessverbesserungen. Die Entwicklungszyklen sind in der MedTech-Branche sehr kurz. Die Unternehmen benötigen daher innovationsfreundliche Rahmenbedingungen, damit der medizinische Fortschritt auch zeitnah bei den Menschen ankommt.

Der BVMed möchte die im Koalitionsvertrag zwischen CDU/CSU und SPD vorgesehene Weiterführung des Strategieprozesses Medizintechnik nutzen, um eine neue Fortschrittskultur in der Weiterentwicklung und Verbesserung der Patientenversorgung in Deutschland durch neue technische Lösungen zu erreichen. Dafür ist das Zusammenspiel von Gesundheits-, Forschungs- und Wirtschaftsministerium von großer Bedeutung. Wir wünschen uns eine positive Atmosphäre für den medizinisch-technischen Fortschritt und einen schnelleren Transfer von Forschungsergebnissen in die Gesundheitsversorgung.

Dringenden Handlungsbedarf sehen wir auch beim Thema Digitalisierung der Gesundheitsversorgung. Wir müssen Digitalisierung positiv begreifen und begleiten. Die Chancen durch diese neuen Wege sind enorm, die Risiken durchaus beherrschbar. Wir brauchen einen mutigeren Umgang mit dem Thema.
 

www.bvmed.de

März 2018 Die Zeit Zukunft Medizin

»Vorhofflimmern ist ein in mehrfacher Hinsicht problematischer Zustand.«

Prof. Dr. Thomas Deneke Sprecher der Arbeitsgruppe Rhythmologie der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie (DGK)

Etwa eine Million Menschen in Deutschland leidet an Vorhofflimmern, der häufigsten Herzrhythmusstörung. Eine Verödung der auslösenden „falschen Herzmuskel-Zündkerzen“ kann vielen Patienten helfen. Vorhofflimmern ist ein in mehrfacher Hinsicht problematischer Zustand. Die unkontrollierten Kontraktionen sind nicht nur unangenehm und können Luftnot, Angstgefühl und Herzschmerz hervorrufen, sondern auch den Herzmuskel langfristig schädigen, Schlaganfälle verursachen und zum Herztod führen.

Neben medikamentösen Therapien kann die sogenannte Katheterablation Abhilfe schaffen. Bei diesem minimalinvasiven Verfahren wird ein Katheter von der Leiste aus über die Venen direkt ins Herz eingeführt und dort durch Hochfrequenzstrom oder Kälte ein bestimmter Bereich verödet, von dem zuvor störende elektrische Impulse ausgingen. Nun kann das Herz zu seinem normalen Rhythmus wiederfinden. Lange galt die Ablation als alternative Behandlungsmethode für nur wenige Betroffene, inzwischen haben jedoch mehrere Studien gezeigt, dass die Ablation besser als die medikamentöse Therapie gegen die Symptome hilft, die Rückfallquote senkt und vor allem bei ausgewählten Patienten die Sterblichkeit um 44 Prozent reduziert.

Patienten sollten wissen, dass es sich bei dieser Ablation um ein komplexes Behandlungsverfahren handelt, das viel Geschicklichkeit und große Erfahrung des durchführenden Arztes erfordert, um Komplikationen möglichst zu vermeiden und dennoch effektiv zu sein. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie fordert daher verbindliche Qualitätsstandards für Zentren, die diese Eingriffe durchführen, beispielsweise eine ausgeklügelte Organisation sowie eine Mindestzahl von 75 Ablationen pro Jahr. Patienten sollten sich vor dem Eingriff genau über das Zentrum informieren, an dem sie mit dieser Prozedur behandelt werden.

www.dgk.org

März 2018 Die Zeit Zukunft Medizin

»Wer an Medikamenten forscht, braucht einen langen Atem.«

Dr. Siegfried Throm Geschäftsführer Forschung; Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (VfA)

Es ist nicht zuletzt der Pharmaforschung zu verdanken, dass die Medizin gute Zukunftsaussichten hat. Allein in Deutschland arbeiten mehr als 16.000 Mitarbeiter der Pharmaindustrie an neuen Medikamenten und Medikamenten-Anwendungen. Für ihre Laborforschung kooperieren sie eng mit Grundlagenforschern in Forschungseinrichtungen, für Arzneimittel-Studien mit Kliniken und Arztpraxen.

Krebserkrankungen sind das Topthema in den deutschen Labors der Pharma-Unternehmen. Doch auch Entzündungskrankheiten, Herz-Kreislauf- und Stoffwechselerkrankungen sowie Alzheimer-Demenz sind Felder, auf denen hierzulande intensiv geforscht wird. An Antibiotika sowie Medikamenten gegen Atemwegs- und Frauenkrankheiten wird hierzulande ebenfalls gearbeitet. Zudem kommen deutsche Labors häufig zum Einsatz, wenn aus einem Wirkstoff eine fertige Tablette oder Spritze werden soll oder wenn ein neuer Pen oder Inhalator zu konstruieren ist.

Im Schnitt dauert es mehr als 13 Jahre von der Idee bis zum zugelassenen Medikament. Und nur eine Minderheit der Projekte erreicht überhaupt die Zulassung. Wie sie ihre Arbeit erleben und worauf sie hinarbeiten, schildern mehrere Forscherinnen und Forscher auf der Website
www.research-on-stage.de. Eine von ihnen ist Dr. Gitte Neubauer. Sie versteht sich darauf,  festzustellen, ob ein Wirkstoff wirklich nur an der geplanten Stelle im Körper wirkt oder wo sonst noch. Damit hilft sie bei der Entwicklung möglichst nebenwirkungsarmer Medikamente. Ein anderer ist Dr. Christian Ried. Er arbeitet an Techniken, mit denen sich Wirkstoffe aus der Blutbahn ins Gehirn einschleusen lassen. Das ist eine Voraussetzung dafür, dass sich Erkrankungen wie Alzheimer oder Parkinson in Zukunft noch besser behandeln lassen. Das sind zwei von vielen, die hierzulande für neue und bessere Therapien für Patienten arbeiten.
 

www.vfa.de