Gesundheit in der Cloud

Die Zukunft im Gesundheitswesen ist digital. Viele Tools können Patienten, Ärzten und Gesundheitseinrichtungen bei einer leistungsfähigen Versorgung helfen.
Illustration: Xinwei Zhang
Axel Novak Redaktion

Alle sind sich einig: Deutschlands alternde Gesellschaft braucht eine bessere und kostengünstigere medizinische Versorgung. Die Digitalisierung soll helfen, Menschen besser zu behandeln, Innovationen zu bezahlen und strukturschwache Gebiete medizinisch zu versorgen.


Grundsätzlich ist Deutschland dabei auch auf gutem Wege. Die Menschen, die als Patienten auf ein leistungsfähiges Gesundheitswesen angewiesen sind, sind mit dem Einsatz neuer Technologien in der Regel zufrieden. Das haben die Unternehmensberater von PricewaterhouseCooper ermittelt. Allerdings, so PwC, wünschen sie sich mehr fortschrittliche Technologie in der Diagnostik, der Kommunikation zwischen den Akteuren und bei Forschung und Entwicklung.


Tatsächlich halten digitale Tools und künstliche Intelligenz schon längst Einzug ins deutsche Gesundheitswesen. Die Deutschen sind bei Krankheiten und Gesundheitsfragen digital unterwegs. Jeder Vierte recherchiert dazu im Internet und diskutiert in Communities.


Auch die sogenannten Wearables stoßen auf viel Interesse: Fast jeder zweite Deutsche kann sich vorstellen, diese kleinen, am Körper tragbaren Computer zu verwenden, um seine Gesundheit zu verbessern. Jeder Sechste nutzt schon heute die kleinen Geräte, um Aktivitäten aufzuzeichnen, das Fitnesstraining zu verbessern oder Puls- und Herzfrequenz zu dokumentieren. Das Potenzial in diesem Bereich ist hoch, wie die Studie „Mobile Health – Mit differenzierten Diensten zum Erfolg“ zeigt, die die Unternehmensberatung Deloitte und der Digitalverband Bitkom jüngst durchgeführt haben. Neue therapeutische Anwendungen könnten chronisch Kranken das Leben erleichtern und auch für die behandelnden Ärzte von großem Nutzen sein. Viele Deutsche können sich sogar vorstellen, in Zukunft unter die Haut implantierte Mikrochips zu verwenden, die wichtige Körperfunktionen überwachen.


Allerdings fehlen heute noch ausreichende Angebote. Ein Grund dafür sind fehlende gesetzliche Regelungen, um entsprechende Anwendungen in die therapeutische Praxis zu bringen. „Die Komplexität des Gesundheitssystems mit all seinen Beteiligten – Hersteller und Entwickler neuer Angebote, Leistungserbringer, Krankenkassen und Patienten – ist hierbei eine große Hürde“, sagt Dr. Bernhard Rohleder, Bitkom-Hauptgeschäftsführer. „Anbieter- und branchenübergreifende Kooperationen könnten der Schlüssel sein, um das volle Potenzial von Mobile Health auszuschöpfen.“ Derzeit sind mobile Gesundheitsanwendungen vor allen Dingen für drei Interessengruppen verfügbar: sportlich Aktive, chronisch Kranke und Übergewichtige. Dieser Markt zieht Unternehmen an, die viel von Daten und ihrer Analyse, aber wenig von Patienten oder Medikamenten verstehen. Googles Deepmind erkennt im 3D-Scan 50 verschiedene Augenkrankheiten – so gut wie ein Facharzt. Der chinesische Konzern Alibaba lässt Röntgenbilder maschinell analysieren, um Entzündungsherde auszumachen. Und Apple will mit der Armbanduhr den Blutzucker messen, ohne die Haut zu verletzen.


Solche Apps können in einigen Bereichen zur perfekten Vorsorge werden. Schlaganfälle, Hautkrebs oder Diabetes – durch die kontinuierliche Überwachung und das ständige Monitoring von bestimmten Gesundheitsdaten könnten sie schon im Vorfeld verhindern, dass eine Krankheit ausbricht. Weil jeder Patient anders auf die verschriebene Therapie reagiert, können intelligente Programme helfen, für jeden individuellen Fall die beste Medikation zu finden, indem sie Medikamente und deren Einsatz analysieren und ihre Wirksamkeit weltweit vergleichen.


Die überwiegende Mehrheit der Deutschen erhofft sich allerdings durch die Digitalisierung vor allem eine praktische Erleichterung: eine bessere Patientenberatung im Internet – und den persönlichen Kontakt bei schweren Erkrankungen. Drei Viertel finden es gut, dass Ärzte medizinische Angelegenheiten über eine räumliche Distanz hinweg klären können.


Tatsächlich sind Onlinesprechstunden eine große Chance, um niedergelassene Ärzte durch die Digitalisierung direkt zu entlasten. Was im Ausland schon mit Erfolg erprobt worden ist, könnte auch in Deutschland gelingen: Ein Arzt beantwortet in einem besonders gesicherten Internet-Portal Fragen von Patienten und gibt erste Hilfestellungen bei leichteren Erkrankungen. Im Zweifel leitet er den Patienten an Arztpraxen oder sogar den Notruf weiter.
 

Baden-Württemberg hat die Online-Sprechstunde mit dem DocDirekt-Projekt gestartet. Dabei können Menschen telefonisch, via App oder Chat nach Hilfe fragen. Wie es möglich ist, den Personalmangel im ländlichen Raum zu mildern, zeigt das Projekt TeleDoc PLUS. In Thüringen übernehmen Assistenten ohne ärztliche Ausbildung Untersuchungen für den Arzt und sind dabei gleichzeitig mit ihm per Videokonferenz verbunden.


Allerdings stehen viele niedergelassene Ärzte Onlinesprechstunden überwiegend skeptisch gegenüber. Das hat kürzlich eine Forsa-Umfrage im Auftrag des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft ergeben. Lediglich sechs Prozent können sich ein solches Angebot vorstellen. 89 Prozent lehnen Onlinesprechstunden grundsätzlich ab, weil sie den persönlichen Kontakt zum Patienten vermissen. Hinzu kommt, dass das Ärzterecht in den Bundesländern geregelt wird – und da sind sich die Ärztekammern alles andere als einig, wer wann welche Untersuchungen auf welche Art und Weise durchführen darf.


Grundsätzlich aber betrachten die Befragten die zunehmende Digitalisierung des Gesundheitswesens als positiv: Ärzte und Apotheker erhoffen sich vor allem eine beschleunigte und vereinfachte Abrechnung mit Krankenkassen und einen besseren Austausch mit den Patienten und anderen Ärzten.


Sorgen bereiten Ärzten und Apothekern hingegen die Cyberkriminalität und der Datenschutz. Auch für die Bürger ist der Schutz ihrer hochsensiblen Gesundheitsdaten entscheidend, um digitale Services zu nutzen. Sicher, die schnelle Verfügbarkeit medizinischer Daten kann Leben retten. Aber der Schutz der Privatsphäre muss garantiert werden.

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