Vormarsch der Allergien

Niesen, brennende Augen, Ausschlag, Magenprobleme oder Kopfschmerz – allergische Symptome können so vielfältig sein wie ihre Auslöser. Ein Drittel der Menschen hierzulande leidet an einer oder an mehreren Allergien, an ungewöhnlich starken Immunreaktionen
Vormarsch Allergien
Illustration: Sabina Keric
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Zu den bekanntesten Allergien zählen die Pollenallergie, die den Heuschnupfen verursacht, das allergische Asthma oder die Allergie gegen Tierhaare. Die schlimmste Folge der starken Immunreaktionen ist der allergische Schock, der zu einem Atem- und Kreislaufstillstand führen kann. Fast alle Allergien schränken die Lebensqualität der Betroffenen phasenweise erheblich ein. 

 

Dabei ist die Sensibilisierung des Immunsystems, die schließlich die Allergie auslöst, nicht angeboren, sondern wird im Laufe des Lebens erworben. Im Prinzip kann jeder früher oder später eine Allergie entwickeln, nur die Bereitschaft dafür ist auch genetisch bedingt. 

 

Mediziner unterscheiden vier unterschiedliche Allergietypen: Rund 90 Prozent aller Allergien, darunter solche gegen Pollen, Hausstaub oder Tierhaare zählen zum so genannten Typ I, dem Soforttyp. Das Immunsystem bildet das so genannte Immunglobulin E (IgE) als unmittelbare Reaktion auf den Auslöser. Schon kurz nach dem Kontakt leiden die Patienten unter den typischen Symptomen, beispielsweise an Juckreiz und geschwollenen Schleimhäuten. Die Ursache dafür sind IgE-Antikörper, die Botenstoffe wie Histamin freisetzen. Vermutet der Allergologe eine Typ I-Allergie, bringt er beim „Pricktest“ Allergene, die zum Beschwerdebild passen, direkt auf die Haut auf. Reagiert das Immunsystem, zeigen sich innerhalb von 20 Minuten Ausschläge und Rötungen. Im Blutbild geben die IgE-Antikörper Aufschluss über die Art der Auslöser.

 

Bei Typ II-Allergien bilden sich Immunkomplexe zwischen zellständigen Antigenen und körpereigenen IgG- oder IgM-Antikörpern. Durch diese Verbindungen werden köpereigene Zellen „markiert“ und damit angreifbar für so genannte Killerzellen. Ein Beispiel für eine Reaktion nach Typ II ist die Zerstörung von roten Blutkörperchen nach einer Transfusion mit einer falschen Blutgruppe. Typ III-Allergien zeichnen sich dadurch aus, dass sich Immunkomplexe aus Antigenen und Antikörpern bilden, die sich im Gewebe oder in den Gefäßen ablagern und Entzündungen auslösen können. Typ IV-Allergien sind Spättypallergien, bei denen die Symptome bis zu zwei Tage nach dem Kontakt zum Allergen einsetzen können. Sie werden durch den Epikutantest nachgewiesen, bei dem der Allergologe für rund 48 Stunden eine Allergenlösung auf den Rücken aufträgt. 

 

Über 20.000 unterschiedliche Auslöser sind bekannt. Das macht es überaus schwer herauszufinden, worauf ein Patient reagiert und wie er den Allergenen aus dem Weg gehen kann. Geht es um die Therapie, steht das Vermeiden der Auslöser jedoch noch immer an erster Stelle. Bei einer eher begrenzten Anzahl von Auslösern ist es zudem möglich, die Patienten zu desensibilisieren. Dabei soll sich das Immunsystem an die allergieauslösenden Stoffe gewöhnen, um die starken Reaktionen dauerhaft abzuschwächen. Der Patient erhält zunächst sehr geringe Dosen seines Allergens, die nach und nach gesteigert werden. 

 

Bei vielen Allergien helfen auch Medikamente, zumindest die Symptome zu lindern. Während die Schulmedizin hier vor allem auf Antihistaminika und Cortisonpräparate setzt, bauen naturheilkundliche Therapien beispielsweise auf Akupunktur, deren Wirkung gerade im Bezug auf Allergien durch Studien belegt ist. 

 

Wichtig für alle Betroffenen ist einmal mehr auch die Prävention im Hinblick auf Lebensstilfaktoren. Um Kinder vor späteren Allergien zu schützen, sollte Zigarettenrauch schon während der Schwangerschaft und auch später tabu sein. Stillen und nur langsames Einführen der Beikost nach Vollendung des vierten Monats gilt ebenfalls als Allergieprophylaxe. Katzen scheinen das Allergierisiko zu fördern, Hundehaltung gilt dagegen als unbedenklich. Gut gelüftete Wohnräume vermindern das Risiko Schimmelpilzallergien zu entwickeln. Und da Stress bei vielen Allergien als Trigger wirken kann, sind Entspannungsmethoden wie Autogenes Training oder Progressive Muskelrelaxation für Allergiker empfehlenswert.

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