Versorgung verbessern!

Die Redaktion befragt Experten zu aktuellen Herausforderungen in der Krebsmedizin.
September 2018 Handelsblatt Leben mit Krebs

»Chancen der digitalen Medizin besser nutzen.«

Joachim M. Schmitt Geschäftsführer und Vorstandsmitglied; Bundesverband Medizintechnologie; BVMed

Die Patientenversorgung steht in Deutschland vor großen Herausforderungen. Stichworte sind Ärztemangel, Pflegenotstand oder die Versorgung in ländlichen Räumen. Wir müssen vor diesem Hintergrund moderne Technologien in der medizinischen Versorgung intelligenter nutzen. Dazu gehören die Chancen, die uns die digitale Medizin bietet.

 Stichwort Krebsbehandlung: Ein Beispiel in der modernen Krebsmedizin sind die Diagnose und Therapieempfehlungen durch Big Data-Anwendungen. Dadurch wird zum Beispiel ein personalisiertes Krebsmanagement durch moderne Diagnostik-Software unter Einschluss der DNA-Sequenzierung von Tumorgewebe ermöglicht, und „Non Responder“ können identifiziert werden, bevor sie den Nebenwirkungen der Therapie ausgesetzt werden.

 Durch die Digitalisierung sind auch im Bereich der medizinischen Versorgung noch viele Verbesserungen für alle Akteure, insbesondere die Patienten, möglich. Während Videosprechstunden könnten beispielsweise die Behandlungserfolge bei chronischen Wunden sehr gut begutachtet werden. Gerade in diesem Bereich könnten so auch Patienten auf dem Land von der Expertise eines Spezialisten profitieren, dessen Praxis zu weit für einen Besuch entfernt liegt.

 Mit der heute bereits sehr weit fortgeschrittenen Technik könnte darüber hinaus eine gute flächendeckende Versorgung nach neuesten wissenschaftlichen Standards sehr viel einfacher erreicht werden. Ein konkretes Beispiel ist hier die telemedizinische Betreuung und Überwachung von Herzschrittmacher-Patienten.

 Wir brauchen neue Zugangswege für digitale und telemedizinische Anwendungen. Dafür sind besondere Evaluationen erforderlich, die den Besonderheiten von Digital Health entsprechen.

 Wir dürfen die digitale Entwicklung weder unter- noch überschätzen. Wir müssen sie besser wertschätzen. Wir müssen Digitalisierung positiv begreifen und begleiten. Die Chancen durch diese neuen Wege sind in der medizinischen Versorgung enorm, die Risiken durchaus beherrschbar.


www.bvmed.de

September 2018 Handelsblatt Leben mit Krebs

»Mehr Daten – bessere Versorgung.«

Prof. Dr. Olaf Ortmann Präsident; Deutsche Krebsgesellschaft

Das deutsche Gesundheitssystem gilt als eines der besten weltweit. Doch was erreicht es wirklich für die Patienten? Wer eine Antwort auf diese Frage sucht, muss die Daten erheben, die den Nutzen und Schaden von Gesundheitsleistungen in der täglichen Alltagsroutine beschreiben. In der Krebsversorgung gibt es mittlerweile gute Modelle dafür, wie solche Daten gesammelt und für eine Verbesserung der Versorgung genutzt werden können.

Krebserkrankungen sind zumeist sehr komplex. Diagnose, Therapie und Nachsorge erfordern die enge Zusammenarbeit mehrerer Spezialisten in sogenannten multidisziplinären Teams. Für ihre Arbeit benötigen sie das entsprechende praktische Know-how und umfangreiche Kenntnis des aktuellen medizinischen Wissens. Zentren mit einem Zertifikat der Deutschen Krebsgesellschaft erfüllen diese Anforderungen freiwillig und stellen dies in jährlichen Audits unter Beweis – auf der Basis von Qualitätskennzahlen, die sich aus den aktuellen onkologischen Leitlinien ableiten. Nur wer den Zertifizierungsprozess erfolgreich durchläuft, erhält ein DKG-Zertifikat – in Deutschland sind es inzwischen über 1200 Zentren. Durch die Dokumentation im Rahmen der Zertifizierung fallen Möglichkeiten zur Prozessverbesserung frühzeitig auf und eventuelle Defizite können diskutiert und behoben werden. Darüber hinaus geben die Zentren personenbezogene Behandlungsdaten pseudonymisiert an klinische Krebsregister weiter und ermöglichen so übergreifende Auswertungen und Versorgungsforschung.

Inzwischen mehren sich die Hinweise, dass sich dieses Qualitätsmanagement auszahlt. Regionale Registerdaten beim Darmkrebs zeigen zum Beispiel, dass die Dreijahres-Überlebensraten nach einer Behandlung an Zentren mit einer DKG-Zertifizierung deutlich höher sind als bei nicht-zertifizierten Zentren. Gerade die strukturierte Zusammenarbeit zwischen Zentren und klinischem Krebsregister birgt ein enormes Potenzial für die Verbesserung von Behandlungsqualität – sie muss unbedingt weiterentwickelt werden.
 

www.dkg.de

September 2018 Handelsblatt Leben mit Krebs

»Brustkrebs: Früherkennung verbessern.«

Dr. Christian Albring Präsident; Berufsverband der Frauenärzte

Zusätzlich zur jährlichen Krebsfrüherkennungsuntersuchung von Tumoren der Brüste und der Achselhöhle in der Frauenarztpraxis wurde vor über zehn Jahren die Röntgenuntersuchung der Brüste als Mammographie-Screening erfolgreich eingeführt. Der Berufsverband der Frauenärzte empfiehlt jeder Frau zwischen 50 und 69 Jahren, die zweijährliche Einladung zur Mammographie wahrzunehmen, um einen möglichen Brustkrebs frühzeitig zu erkennen. Es gibt kein stichhaltiges Argument, diese wichtige Früherkennung auszulassen.

 Gleichwohl weisen manche Brüste ein dichteres Gewebe auf als andere, was auch ein häufigeres Auftreten von Brustkrebs mit sich bringt. Der Dichtegrad kann jedoch erst bei der ersten Mammographie beurteilt werden. Ein Brustultraschall, der natürlich qualitätsgesichert von Fachärzten durchgeführt wird, sollte in solchen Fällen nachgeschoben werden.

 Leider wird die Brustdichte nach der Mammographie weder der Frau noch dem Frauenarzt routinemäßig mitgeteilt, sodass der Brustultraschall nicht erfolgt. Hier besteht Nachbesserungsbedarf, da der Ultraschall unsichtbare Tumoren detektieren kann. Frauen könnten in der Röntgenpraxis darum bitten, diesen Dichte-Wert zu erfahren.

 Ebenso ist zu kritisieren, dass die Krankenkassen den Ultraschall bei dichtem Drüsengewebe nicht als Leistung in den Katalog übernehmen, was grundsätzlich auch für Frauen ab 40 empfehlenswert wäre. Das Gegenargument, dass Veränderungen im Gewebe der Brust so lange beunruhigen könnten, bis ihre Gutartigkeit festgestellt ist, kann nicht gelten; ebenso wenig dass der Ultraschall auch zu vermehrten Eingriffen an der Brust führen könnte. Darunter finden sich einige Karzinome, die auf der Mammographieaufnahme nicht sichtbar waren.

 Mit ähnlichen Argumenten wird das Mammographie Screening ab 40 verweigert, das auch vom Berufsverband der Frauenärzte gefordert wird. Andere Länder sind da fortschrittlicher: sie überlassen es den Frauen, ob sie ab dem 41. Lebensjahr oder später beginnen.


www.bvf.de