Sportlich bleiben!

Für die Mutter ist der Wiederaufbau ihres durch die Geburt geschundenen Körpers eine anstrengende Angelegenheit. Dabei lässt sich das Nützliche mit dem Angenehmen sehr gut verbinden.
Yoga
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Tina Angerer Redaktion

Falls Sie im Supermarkt in der Schlange eine Frau mit Kinderwagen sehen, die auf einem Bein steht, dann ist das kein Fall von Still-Demenz, sondern eine Mutter, die im Rückbildungskurs gut aufgepasst hat und jede Minute perfekt ausnutzt. Gleichgewichtsübungen fordern viel Körperspannung und trainieren unmerklich auch den Beckenboden. Auch der Pinguin, eine Frau mit seltsam steifen Beinen und abgespreizten Handflächen, die langsam voranwatschelt, könnte so eine Erscheinung sein.   


Schwangerschaft und Geburt sind körperliche Extremleistungen, die ihre Spuren hinterlassen. Besonders in Mitleidenschaft gezogen ist der Beckenboden, das sind Muskeln, von deren Existenz viele Frauen vor der Schwangerschaft gar nichts wussten. Die Muskelplatte verschließt den Körper sozusagen nach unten und hält die inneren Organe. Während der Schwangerschaft muss sie die immer schwerer werdende Gebärmutter halten. Eine natürliche Geburt nimmt diese Muskeln dann noch besonders schwer mit. Beckenbodentraining ist wichtig, um spätere Inkontinenz zu verhindern.


Bei der klassischen Rückbildung, die Frauen bereits sechs Wochen nach der Entbindung empfohlen wird (nach Kaiserschnitt später), ist der Beckenboden deswegen eines der Hauptthemen. Man kann diese Muskeln ohne Geräte und ohne großen Aufwand trainieren, ohne dass ein Außenstehender das sieht. Schon in Geburtsvorbereitungskursen lernen die Frauen, wie das geht. Nur: Man muss es halt machen. Und genau da liegt für viele das Problem.

DEN INNEREN SCHWEINEHUND ÜBERWINDEN

Die Wochen und Monate nach einer Entbindung sind immens anstrengend, die Strapazen der Geburt wirken nach, es fehlt chronisch an Schlaf, und die zeitlichen Freiräume mit Baby sind nahezu null. Ein fester Rückbildungkurs, der auch von der Krankenkasse bezahlt wird, ist deswegen für viele eine Art Zwangsveranstaltung. Der Klassiker sind Frauen, die sagen: Ich habe mich hingequält, aber hinterher ging es mir besser.


Neben dem Beckenboden sind die Problempunkte meistens Rücken, Bauch und Schultern. Es ist nicht nur die Fitness dahin, die man vor der Schwangerschaft hatte, die Hormone sorgen auch während der Stillzeit dafür, dass die Muskeln weich sind. Eine Münchner Hebamme, die selbst drei Kinder hat, beschreibt es so: „Während der gesamten Stillzeit fühlte ich mich, wenn ich mich mal etwas schneller bewegte, so als würde ich gleich auseinanderfallen.“ Verkrampftes Sitzen beim Stillen oder stundenlanges Herumtragen des Babys bringen dann noch neue Verspannungen und einseitige Belastungen mit sich. Und die treuen Schwangerschaftskilos und der hartnäckige Bauch haben meistens auch nichts mit der wundersamen Rückverwandlung der Klums und Beckhams gemein.


Ärzte raten zum langsamen Aufbau von Kondition. Joggen gehört besonders in der ersten Zeit wegen der Erschütterung und der Belastung des Beckenbodens nicht dazu. Und bei Muskeltraining gilt auch noch Monate nach der Geburt: Vorsicht mit den Bauchmuskeln. Die geraden Bauchmuskeln, die in der Schwangerschaft weichen mussten, sollten nicht trainiert werden - also keine Situps. Übungen aus Yoga oder Pilates sind hingegen auch im Babyjahr ideal. Im Grunde wäre ein gutes Sportprogramm: Täglich eine Stunde zügig mit Kinderwagen spazieren gehen und zu Hause Gymnastik machen, zum Beispiel mit Hilfe von DVDs.


Drei Dinge hindern die junge Mutter am Sport: Die Dauer-Müdigkeit, der innere Schweinehund und das Baby. Das haben Fitness-Anbieter verstanden und versuchen zumindest zwei Hindernisse aus dem Weg zu räumen. Wer auch nach dem Rückbildungskurs weiter feste Sport-Termine hat, hat den Schweinehund zumindest an die Leine genommen. Der Klassiker ist eine übermotivierte, drahtige, ausgeschlafene Trainerin, die ihre gute Laune an zehn gähnenden Frauen auslässt – die aber immerhin gekommen sind. Das Baby, das muss halt mit. Yoga- Pilates- oder Fitness-Studios bieten oft Kinderbetreuung in einem Nebenraum. Bei geduldigen Babys  ideal, ansonsten trägt ein schreiendes Kind  imNebenzimmer allerdings nur zu äußerst unerwünschter Körperspannung der Mutter bei.

Neue Freundschaften beim Babysport

Manchmal bleiben die Babys einfach mit im Raum, bei den ganz Kleinen geht das oft gut. Es gibt auch Kurse, in denen das Baby quasi  als lebendes Gewicht in verschiedenen Übungen mit eingesetzt wird. Andere lehnen das wegen des Verletzungsrisikos für das Baby ab. Im Trend  ist derzeit der Sport mit der Babytrage. Das Baby wird während des Workouts vor den Bauch geschnallt. Zwei Umstände machen solchen Sport überhaupt möglich: Viele Babys lieben es, am Bauch der Mama zu hängen. Und sie stören sich  in keinster Weise an Gerüchen, die die schwitzende Angebetete entwickelt.


In den meisten Städten ziehen auch Sport-Gruppen mit Kinderwagen oder Buggy durch die Parks. Jogging mit leichten und gefederten Schnell-Buggys ist allerdings nur für Fortgeschrittene zu empfehlen. Am Anfang tun es auch Kurse, bei denen der Kinderwagen  hin und wieder bei einer Übung zum Festhalten verwendet wird und ansonsten flott durch den Park geschoben wird oder das Kind einfach nur im Wagen dabei ist, wenn die Mütter auf der Wiese im Rudel trainieren. Auch hier gilt, wie bei allen Unternehmungen: Das Baby ist der Chef. Es nützen die tollsten Sportkonzepte nichts, wenn es Hunger hat oder gerade etwas ganz anderes möchte als in einer Babytrage durch ein Fitnessstudio gehopst zu werden. Da sollte die Mutter flexibel sei, und nicht zu viel von sich oder dem Kind erwarten.


Der Mama, auch mit sportunwilligem Kind, bleibt immer noch ein wichtiger Mehrwert der Veranstaltung: der Austausch mit anderen. Ein ruinierter Beckenboden  ist manchmal der Beginn von Freundschaften, die immer noch bestehen, wenn das Kind bereits ausgezogen ist und einen Vollbart trägt.

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