Von Allergien bis Schlaganfall

Unter Volkskrankheiten versteht man allgemein besonders häufige Erkrankungen oder solche mit stark zunehmenden Fallzahlen. Ein Überblick.
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Illustration: Maria Martin
Mirko Heinemann Redaktion

Allergie

 

Mit der wohl bekanntesten Allergieform in Deutschland müssen sich etwa 15 Millionen Deutsche jedes Jahr erneut herumschlagen: die Pollenallergie, auch Heuschnupfen genannt. Sie tritt vor allem im Frühjahr auf und äußert sich bei Betroffenen in tränenden und juckenden Augen, Niesattacken, Kopfschmerzen und fiebrigem Grundgefühl. Auslöser sind Pollen, die über die Atemwege in den Körper gelangen und eine allergische Reaktion auslösen. Grundprinzip aller Allergien: In einer Fehlfunktion des Immunsystems wird ein eigentlich harmloser Reiz bekämpft wie ein Krankheitserreger. Wird der Heuschnupfen nicht behandelt, kann er bei Betroffenen zu Asthma führen. Auch Allergien gegen Hausstaub oder Feinstaub in der Atemluft, Katzenhaare oder gegen bestimmte Nahrungsmittel wie Ei, Milch, Soja, Gluten oder Nüsse sind auf dem Vormarsch. Allein in Deutschland sind bis zu 30 Millionen Menschen von einer Allergie betroffen, mit steigender Tendenz. 

 

Atemwege

 

Schnupfen und Husten, Allergien und Asthma: Erkrankungen der Atemwege gehören weltweit zu den häufigsten Todesursachen. Und sie nehmen zu: Umwelteinflüsse wie Luftschadstoffe, Schimmepilze, ein schlechtes Raumklima und das Rauchen können zur Entstehung von Atemwegs-erkrankungen beitragen. Fünf bis zehn Prozent aller Erkrankungen von Lunge und Atemwegen lassen sich übrigens auf Einflüsse am Arbeitsplatz zurückführen. Werden beispielsweise gesundheitsschädliche Partikel wie Feinstaub eingeatmet, kann es zu Reizungen, Entzündungen, allergischen oder sogar toxischen Reaktionen kommen. Zu den häufigsten Atemwegserkrankungen zählen: Asthma bronchiale, die chronisch obstruktive Bronchitis (COPD), die akute und die chronische Bronchitis, die Lungenentzündung (Pneumonie) und Lungenkrebs. Häufigste Symptome sind Hus-ten, Auswurf, Luftnot, Atembeschwerden, Halsschmerzen und Heiserkeit. 

 

Augen

 

Mit dem steigenden Lebensalter der Bevölkerung rücken Erkrankungen wie die Makula-Degeneration, der Graue oder Grüne Star oder die Diabetische Retinopathie stärker in den Fokus der Medizin. Als Grauer Star oder Katarakt werden Linsentrübungen bezeichnet, die im Alter zwischen 50 und 60 Jahren bei der Hälfte der Bevölkerung vorliegen. Sie haben einen Grauen Star, ohne Sehstörungen zu bemerken. Typische Behandlung ist die Operation, wobei eine künstliche Linse eingesetzt wird. An einer Form der Makula-Degeneration leiden in Deutschland etwa vier Millionen Menschen. Dabei kommt es im Alter zu Ablagerungen auf der Netzhaut und zum Verlust der Sehschärfe. Beim Grünen Star oder  Glaukom gerät das Gleichgewicht aus Augeninnendruck und Durchblutung aus dem Lot, und der Sehnerv wird nicht mehr ausreichend versorgt. Die Diabetische Retinopathie ist eine Erkrankung der Netzhaut, die in Folge von Diabetes mellitus auftritt und die Gefäßwände schädigt. 

 

Bluthochdruck 

 

Etwa 20 Millionen der Bevölkerung in Deutschland haben einen erhöhten Blutdruck. Viele bemerken dies gar nicht, denn Bluthochdruck oder Hypertonie macht zunächst keine Beschwerden. Das Gefährliche daran ist, dass mit einem dauerhaft zu hohen Blutdruck das Risiko für Schäden an lebenswichtigen Organen wie Herz, Gehirn, Nieren und Augen steigt. Die Ursachen sind vielfältig. Eine Umstellung des Lebensstils, gesunde Ernährung, Sport und Medikamente können meist helfen, den Blutdruck zu senken.

 

Demenz

 

Demenz ist auf dem Weg zur Volkskrankheit Nummer Eins. In Deutschland leben momentan über 1,5 Millionen an Demenz erkrankte Menschen, die Zahl soll sich Prognosen zufolge bis 2050 verdreifachen. Die meisten der Betroffenen sind an Alzheimer erkrankt, über die Hälfte ist älter als 60 Jahre. Bei allen Formen der Demenz gibt es eine Gemeinsamkeint: Die Nervenzellen im Gehirn sterben ab, geistige Fähigkeiten wie Motorik und Sprache lassen immer mehr nach. Die Ursachen sind unbekannt, Heilmittel gibt es nicht. Wichtig ist eine frühzeitige Prävention, geistige und körperliche Fitness und eine ausgewogene Ernährung.

 

Depressionen

 

Im Gegensatz zur depressiven Verstimmung, die den allermeisten Menschen bekannt ist, ist die echte Depression eine Erkrankung im medizinischen Sinn. Neben der gedrückten Grundstimmung leiden depressive Menschen in der Regel an Antriebsstörungen, drücken sich vor Entscheidungen, empfinde keine Freude mehr. Fünf Prozent erfüllen die Kriterien einer depressiven Störung, das sind vier Millionen Deutsche. Eine Depression hat selten eine einzige Ursache. Meist führt ein Zusammenspiel verschiedener Faktoren zur Erkrankung. Typische Behandlung: Antidepressiva und Psychotherapie.

 

Diabetes

 

Der Diabetes mellitus gehört mit sieben Millionen Patienten und wohl ebenso vielen mit unerkanntem Diabetes oder hohem Risiko für diese Stoffwechselerkrankung zu den größten Volkskrankheiten in Deutschland. Die meisten Menschen leiden an Diabetes Typ 2, rund 300.000 an Diabetes Typ 1. Bei Typ-1-Diabetes versagt die Funktion der Inselzellen der Bauchspeicheldrüse innerhalb kurzer Zeit, der Körper kann kein Insulin mehr produzieren. Bei Typ-2-Diabetes trifft meist eine genetische Prävalenz auf einen ungesunden Lebensstil. Der Körper produziert weniger Insulin und ist weniger empfindlich für die Wirkung des Hormons. Als Diabetes Typ 3 werden verschiedene Ursachen zusammengefasst, Diabetes Typ 4 wird auch Schwangerschaftsdiabetes genannt. Daran erkranken jährlich rund 22.000 Frauen in Deutschland während einer Schwangerschaft. Der Diabetes kann zu schweren Folge- und Begleiterkrankungen führen, etwa Bluthochdruck, Fettstoffwechselstörungen, Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenerkrankungen oder Erkrankungen der Netzhaut. 

 

Herz-Kreislauf

 

Koronare Herzkrankheiten, Herzschwäche, Herzinfarkt – Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems zählen zu den häufigsten Krankheiten und sind in Deutschland die häufigste Todesursache. Die koronare Herzkrankheit beginnt mit Ablagerungen von Fett und Bindegewebe in den Herzkranzgefäßen. Dies führt zu Verengungen oder Verschlüssen der Koronararterien, so dass das Herzmuskelgewebe nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff und Nährstoffen versorgt wird; es kann zum Herzinfarkt kommen. Bei einer Herzschwäche oder Herzinsuffizienz ist das Herz nicht mehr in der Lage, ausreichend Blut zur Versorgung der Organe in den Körper zu pumpen. Eine Herzinsuffizienz kann aus verschiedenen Ursachen entstehen, etwa bei Bluthochdruck, durch Herzrhythmusstörungen, nach einem Herzinfarkt oder bei Herzklappenfehlern. Gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist die Lebensweise ausschlaggebend für das Risiko zu erkranken.

 

Infektionen

 

Epidemien wie Pest, Pocken, Cholera oder Typhus forderten bis vor hundert Jahren immer wieder Millionen Menschenleben. Erst mit der Entdeckung des Penicillins durch Alexander Fleming im Jahr 1928 wurde eine entscheidende Waffe im Kampf gegen bakterielle Infektionen entwickelt. Ein zunehmendes Problem sind heute die zunehmenen Resistenzen der Erreger. In den Intensivstationen der Krankenhäuser können sich robuste Bakterienstämme etablieren, die unempfindlich sind gegen viele Antibiotika. Außerdem spielen Keime bei der Entstehung von Krebsarten wie Leberkrebs, Gebärmutterhalskrebs und dem Magenkrebs eine Rolle. Global gesehen sind Infektionskrankheiten eine ernste Bedrohung: Laut aktuellen Krankheitsstatistiken der Weltgesundheitsorganisation WHO finden sich unter den zehn häufigsten Todesursachen weltweit allein fünf Infektions-Erkrankungen. 

 

Karies

 

Von Zahnkaries oder Zahnfäule betroffen sind laut einer aktuellen Studie des Universitätsklinikums Greifswald 99 Prozent aller erwachsenen Deutschen. Karies entsteht, wenn Stoffwechselprodukte von bestimmten Bakterien den Zahnschmelz angreifen und dadurch den Zahn beschädigen. Zahnbelag begünstigt die Entstehung, weil sich Mundbakterien dort ansiedeln. Die Bakterien nehmen Zucker aus der Nahrung auf, wandeln ihn in Säure um und greifen so den Zahnschmelz an. Die beste Vorbeugung: regelmäßig und gründlich die Zähne putzen.

 

Krebs

 

Die Prognosezahlen des Robert-Koch-Instituts (RKI) zeigen, dass für 2016 mit rund 500.000 neuen Krebserkrankungsfällen in Deutschland zu rechnen ist. Die häufigsten Krebserkrankungen sind bei den Männern der Prostatakrebs mit 64.000 Neuerkrankungen im Jahr 2012, es folgen Lungenkrebs mit knapp 35.000 und Darmkrebs mit 34.000. Frauen sind am häufigsten von Brustkrebs (70.000), Darmkrebs (29.000) und Lungenkrebs (18.000) betroffen. Vor allem die Früherkennung von Brustkrebs hat dazu geführt, dass diese Krebsform viel von ihrem Schrecken verloren hat. Auch die Maßnahmen zur Darmkrebsvorsorge, zweithäufigste Krebserkrankung, scheinen zu greifen. Jedenfalls konnte das RKI einen Rückgang der Darmkrebszahlen vermelden. 

 

Migräne

 

Acht Millionen Menschen in Deutschland leiden unter Migräne, 70 Prozent davon sind Frauen. Symptome können Übelkeit sein, Schwindel und rasende Kopfschmerzen. Nach neuesten Erkenntnissen liegt bei einem Migräneanfall eine Störung der Reizverarbeitung im Gehirn vor. Es kommt zur Freisetzung von Botenstoffen aus den Nervenenden und zu lokalen Entzündungen an den Blutadern der Hirnhäute. Behandelt wird Migräne mit Schmerzmitteln. Speziell für Migränepatienten sind die Triptane entwickelt worden. 

 

Rheuma

 

20 Millionen Deutsche leiden an den 240 verschiedenen Erkrankungen, die zum so genannten Rheumatischen Formenkreis gerechnet werden. Das sind vor allem Krankheiten der Bewegungsorgane wie Arthrose, Osteoporose oder chronische Rückenschmerzen. Die oft chronischen Entzündungen sind noch nicht heilbar, jedoch immer besser behandelbar. Möglich machen dies entzündungshemmende Medikamente wie Cortison oder die so genannten Biologika, molekulare Wirkstoffe, die gezielt in das fehlgesteuerte Immunsystem eingreifen und Entzündungsprozesse unterdrücken. 

 

Schlaganfall

 

Eine plötzliche Sehstörung, Lähmung oder extreme Kopfschmerzen – Schlaganfall ist in Deutschland die dritthäufigste Todesursache. Je schneller der Betroffene medizinische Hilfe erhält, desto besser ist seine Prognose. Ursache ist eine Störung der Blutversorgung des Gehirns. In den meisten Fällen verstopft ein Blutgerinnsel eine der hirnversorgenden Arterien. Der daraus entstehende Sauerstoffmangel führt binnen Sekunden zum Ausfall von Hirnfunktionen. Bleibt die Versorgung mit Sauerstoff länger unterbrochen, sterben Nervenzellen in den betroffenen Gehirnteilen ab. 

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