Leiden, die ein Land bewegen

Rückenschmerzen, Bluthochdruck und Diabetes gehören zu den häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland. Was weiß man über die Ursachen, welche Therapie ist die beste?
Illustration: Anna Ruza
Kea Antes Redaktion

Sie beeinträchtigen die Lebensqualität der Betroffenen meist erheblich, verlaufen oft chronisch und bedeuten eine große Belastung für die Sozialversicherungssysteme: Die Rede ist von Volkskrankheiten. Also jene Gebrechen, die sehr viele Menschen in einem Land betreffen. Wir haben uns die aktuellen Entwicklungen in puncto Behandlung und Ursachenforschung zu Rückenleiden, Bluthochdruck und der Stoffwechselerkrankung Diabetes Typ 2 angeschaut – drei der häufigsten Volkskrankheiten in Deutschland.

Es zwickt im Kreuz, jeder Schritt schmerzt. Doch auch nach unzähligen Arztbesuchen verschiedener Fachrichtungen ist die Ursache für das Rückenleiden nicht erkennbar. Stress, mangelnde Bewegung, verspannte Muskeln, aber auch psychische Belastungen, können mögliche Auslöser solcher nicht-spezifischen Kreuzschmerzen sein. Laut Deutscher Gesellschafter für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) trifft das auf 60 bis 85 Prozent aller Rückenschmerz-Fälle zu. Sind krankhafte Veränderungen der Wirbelsäule wie ein Bandscheibenvorfall der Grund, ist die Rede von spezifischen Schmerzen.

Rückenleiden gehören zu den Top 3 der Volkskrankheiten in Deutschland. Laut Gesundheitsreport der Krankenkassen DAK und TK von 2018 waren Muskel-Skelett-Erkrankungen der zweithäufigste Grund für Krankschreibungen im vergangenen Jahr. Im Fokus der Therapie stehen konservative Verfahren wie Physiotherapie und moderater Sport, der den Halteapparat stärkt. Auch schmerzstillende Medikamente können zum Einsatz kommen, jedoch am besten so sparsam wie möglich. Und wie sieht es mit Operationen aus? In letzter Zeit häufen sich die Beiträge in den Medien, dass die Geldgier der Klinikbetreiber über dem Wohl der Patienten stehe. Fakt ist: Operationen sollten immer die letzte Option sein. Manchmal sind sie jedoch einfach notwendig, etwa bei anhaltenden Schmerzen oder krankhaften Verformungen der Wirbelsäule.

Neben Rückenschmerzen zählt auch Bluthochdruck zu den häufigsten Volkskrankheiten. Laut Robert Koch-Institut leiden daran fast 30 Prozent der in Deutschland Lebenden. Typische Beschwerden wie Schwindel, Kopfschmerzen, gelegentliches Herzstolpern und Kurzatmigkeit bei Belastung zeigen sich jedoch oft erst mit zunehmender Krankheitsdauer – die Dunkelziffer unter den Betroffenen ist hoch. Bleibt ein Bluthochdruck unbehandelt, können lebenswichtige Organe wie das Herz und das Gehirn Schaden nehmen, ebenso wie die Blutgefäße. Ein Herzinfarkt oder Schlaganfall können dann die Folge sein. Doch was beutetet eigentlich „zu hoch“? Die neuen US-Leitlinien, die im vergangenen Jahr veröffentlicht wurden, feuerten die Debatte darüber neu an. Die USA senkten die Grenzwerte für Bluthochdruck von bisher 140/90 mm Hg auf 130/80 mm Hg herab.

Anfang Juni 2018 wurden die neuen europäischen Leitlinien für die Behandlung von Bluthochdruck vorgestellt. Die Studienlage aus der US-Leitlinie überzeugte die Kommission nicht, sie hält an den 140/90 mm Hg fest. Stattdessen soll verstärkt auf Prävention und Früherkennung gesetzt und die Therapietreue verbessert werden – letzteres unter anderem durch die Gabe blutdrucksenkender Substanzen in Form von einer Tablette anstelle mehrerer einzelner Medikamente. Die Deutsche Hochdruckliga begrüßt die neue Leitlinie.

An jeder Straßenecke warten herzhafte und süße Verlockungen auf uns, die Supermärkte sind voll mit Leckereien. Wer kann da schon widerstehen? Viel Zucker, Fett und wenig Bewegung sorgen schnell dafür, dass das Gewicht in die Höhe steigt. Übergewicht ist eines der Hauptrisikofaktoren für Diabetes Typ 2. An dieser Erkrankung, bei der die Blutzuckerwerte erhöht sind, leiden in Deutschland laut Diabetes Atlas der International Diabetes Federation (2015) 6,5 Millionen Menschen.

Der Grund für die erhöhten Blutzuckerwerte ist eine Insulinresistenz. Die Körperzellen sprechen schlechter auf das Hormon Insulin an, wodurch wiederum Zucker nicht mehr so gut aus dem Blut in die Zellen geschleust werden kann – er staut sich in den Gefäßen an. Bleibt der Diabetes unbehandelt, steigt unter anderem das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall und Nervenschäden. Beim Typ-1-Diabetes handelt es sich hingegen um eine Autoimmunerkrankung, bei der der Körper kein oder kaum eigenes Insulin produziert. Betroffene sind auf das Spritzen des Hormons angewiesen.

Als Therapiemaßnahme steht bei Typ-2-Diabetikern die Lebensumstellung im Fokus: Meist reichen Abnehmen und Sport aus, um die Blutzuckerwerte zu normalisieren. Medikamente mit dem Wirkstoff Metformin können zusätzlich helfen. Als besonders günstig zum Abnehmen – und damit zur Stoffwechseleinstellung – galt lange Zeit eine fettreduzierte Ernährungsweise. Experten sehen mittlerweile jedoch im Verzicht von Kohlenhydraten Vorteile im Hinblick auf das Senken der Blutzuckerwerte. Derzeit laufen dazu zwei Ernährungsstudien, an denen auch das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) beteiligt ist. Ziel ist es, herauszufinden, ob sich „Low Fat“ oder „Low Carb“ besser zur diätetischen Prävention, beziehungsweise Behandlung des Typ-2-Diabetes, eignet. Erste Zwischenergebnisse gibt es bereits, in denen „Low Carb“ leicht vorne liegt.

Alle drei beschriebenen Volkskrankheiten haben eines gemein: Lebensstilfaktoren wie Rauchen, Alkoholkonsum, ungesunde Ernährung und fehlende Bewegung können die Entstehung begünstigen. Doch auch die Veranlagung, chronische Entzündungsprozesse, psychosozialer Stress und Umwelteinflüsse gelten als mögliche Risikofaktoren – um nur einige beispielhaft zu nennen. Die Ursachenforschung ist noch lange nicht abgeschlossen, es gibt noch viele offene Fragen. Um mehr über die Gründe für die Entstehung von Volkskrankheiten zu erfahren, ist 2014 eine deutschlandweite Langzeit-Bevölkerungsstudie mit 200.000 Menschen gestartet, die NAKO Gesundheitsstudie. Sie ist auf 20 bis 30 Jahre ausgelegt und wird unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert.

Und bis dahin? Stützen wir uns auf das, was bekannt ist: Ein gesunder Lebensstil ist zwar kein Garant für eine gute Gesundheit bis ins hohe Alter, doch er legt einen wichtigen Grundstein dafür.