Auszeit für Geist und Körper

Der Trend zur Wellness-Reise ist eine Antwort auf die zunehmenden Herausforderungen in Job und Familie. Er hat den Reisemarkt stark geprägt.
Urlaub
Illustration: Maria Martin
Jürgen W. Heidtmann Redaktion

Kein Eintritt für Kinder und Jugendliche unter 16 Jahren“, prangt auf dem Schild im Eintrittsbereich der Therme. Was für manche wirken mag wie ein Affront, ist für uns der entscheidende Grund, das Wochenende hier zu verbringen und nicht anderswo. Denn unsere Kinder sind bei den Großeltern, und wir wollen eine Auszeit vom familiären Grundrauschen. Im Innern: das Paradies. Kein Schreien, kein Rufen, kein Rennen, stattdessen Blubbern, Plätschern und Wispern. 

 

Ob mit oder ohne Familie: Wellness liegt stark im Trend, und sie hat auch die Art, wie Deutsche reisen, geprägt: Wellnessreisen sind kurz, die Ziele liegen meist in der Nähe des Wohnorts, und die Reisenden lassen sich ihre Auszeit etwas kosten. 

 

Stark gegen Burn-Out 

 

Auszeiten vom Alltag sind so wichtig wie nie. Seit Jahren verzeichnen die Krankenkassen eine starke Zunahme von Fehlzeiten aufgrund von Burn-out. Die Betriebskrankenkassen teilen mit, jeder zehnte Arbeitnehmer sei davon betroffen. Im aktuellen Psychoreport der DAK Gesundheit ist die Rede von Depressionen und Burn-out bei jedem zwanzigsten Arbeitnehmer. 

 

Umso wichtiger ist es, Zeiten abseits von Beruf und Verpflichtung zu schaffen. Und, manchmal, eben auch ohne die Kinder. So liegen kinderfreie Wellnesshotels groß im Trend, wie die aktuelle Studie von beauty24 und Wellness-Hotels & Resorts zeigt. Die beiden Unternehmen befragen jedes Jahr über 2000 Gäste und Hoteliers aus der Wellnessbranche und stellen die Ergebnisse auf der ITB Berlin, der größten Reisemesse der Welt, vor. 

 

Kinderfreie Hotels

 

59,1 Prozent der Befragten geben an, dass sie ein kinderfreies Wellnesshotel eher buchen würden als ein normales Wellnesshotel. „Zwei Drittel der Gäste reisen mit ihrem Partner in den Wellnessurlaub, für 45,2 Prozent ist die gemeinsame Zeit besonders wichtig“, so Roland Fricke von beauty24. „Außerdem beobachten wir, dass neben der klassischen Wellness-Zielgruppe ab 40 Jahren auch immer mehr junge Paare Auszeiten nehmen.“ 

 

Laut Befragung nutzen auch insgesamt immer mehr Menschen Wellnessangebote, die Nachfrage steigt. Gut die Hälfte der befragten Gäste nimmt öfter als einmal pro Jahr Wellnessangebote in Anspruch. Dabei spielen Wellnesshotels eine größere Rolle als Thermen oder Wellnessanlagen. Der Wellnessurlaub ist in den meisten Fällen ein Kurzurlaub mit zwei bis drei Übernachtungen, für den die Gäste eine Anreise von 200 bis 300 Kilometern in Kauf nehmen. Während ein Großteil der Gäste vor ein paar Jahren Wellness noch als außergewöhnlichen Luxus ansah, ist sie heute für viele ein Bestandteil ihres Lebens. 81,6 Prozent der Befragten suchen vor allem eine Auszeit zum Entspannen.

 

Der Wellnessurlaub ist dann eine gute Gelegenheit, um fernab des Alltags neue Impulse für eine ausgeglichene Work-Life-Balance zu bekommen. Gäste wünschen sich im Wellnesshotel vor allem eine besondere Atmosphäre, die zur Entspannung beiträgt. Außerdem haben sie Interesse an Kursen zum aktiven Entspannen wie Yoga oder Qi Gong sowie an Angeboten, die helfen wieder zu lernen, einfach einmal gar nichts zu tun. „Wellnesshotels übernehmen heute mehr denn je die Funktion von Rückzugsorten“, so Fricke. Massagen beziehungsweise physiotherapeutische Anwendungen sind mit Abstand die gefragtesten Anwendungen. Sie machen über die Hälfte des durchschnittlichen Spa-Umsatzes in den Hotels aus. Kosmetische Anwendungen folgen an zweiter Stelle vor Bädern und Sportangeboten. 

 

Auch das Segment der so genannten Gesundheitsreise wächst stark. Dazu zählen zum einen Deutsche, die sich aus Kostengründen im Ausland etwa Zahnbehandlungen unterziehen. Zum anderen zieht die hohe Qualität der deutschen Gesundheitseinrichtungen immer mehr internationale Gäste an. So ließen sich etwa 2014 mehr als 251.000 Patienten aus 176 Ländern stationär oder ambulant in Deutschland behandeln. Insgesamt brachten die Medizintouristen dem deutschen Gesundheitssys-tem über 1,2 Milliarden Euro ein. 

 

Gesundes Berlin

 

Stärkster Quellmarkt ist dabei nach wie vor Russland, aber auch die Vereinigten Arabischen Emirate machen einen wichtigen Anteil aus. Besonderer Beliebtheit bei internationalen Patienten erfreuen sich die renommierten Kliniken in Berlin. So verzeichnet die Tourismusorganisation Visit Berlin ein starkes Plus im Segment der ausländischen Gäste, die für eine medizinische Behandlung in die Hauptstadt reisen. Seit 2012 werden in sieben Berliner Kliniken die Zahlen der internationalen Patienten erfasst. Diese sind in den letzten drei Jahren um rund 20 Prozent gestiegen. 

 

Ein weiterer Megatrend der Wellness-Destinationen: Digitalisierung. So hat etwa Bad Aibling auf seiner Webseite einen Gesundheitsfinder eingebunden, der die Suche nach einem Facharzt, Therapeuten oder der richtigen Klinik erleichtern soll. Angebote in dieser Richtung werden in Zukunft immer stärker gefragt sein.

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