Zuversicht statt Angst

Krebsvorsorge ist lebensrettend, aber die Kritik an der Mammographie reißt nicht ab. Leitlinien versprechen bessere Behandlungsergebnisse.
Illustration: Maria Horn
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Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Besonders im therapeutischen Bereich entwickele sich das medizinische Wissen „extrem rasch“, erläutert Achim Wöckel. Der Professor ist der Koordinator der aktualisierten S3-Leitlinie mit neuen Empfehlungen zu Diagnostik, Behandlung und Beratung beim Mammakarzinom der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und der Deutschen Krebshilfe. „Wir wissen inzwischen aus Versorgungsforschungsprojekten, dass ein leitlinienkonformes Vorgehen das Endergebnis der Brustkrebsbehandlung verbessert“, so Wöckel. Voraussetzung ist natürlich, dass die Leitlinie aktuell ist.

Zu den wichtigen Entwicklungen in der Krebstherapie gehört der Einsatz schonender OP-Verfahren, bei denen gesundes Gewebe so weit wie möglich erhalten bleibt. Deutlich weniger belastend für die Patientinnen sind heute außerdem die Bestrahlungen, die zielgenauer auf den Tumor ausgerichtet werden. Ärzte stellen sich bei der Behandlung zunehmend auf bereits erkannte individuelle Eigenschaften der jeweiligen Tumorzellen ein und berücksichtigen bei der Planung der Therapie immer stärker Konstitution und Lebensumstände der betroffenen Patientin.

Trotzdem ist Brustkrebs noch immer die häufigste Krebserkrankung bei Frauen. Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge diagnostizieren Ärzte pro Jahr über 70.000 Mal im Jahr ein „Mammakarzinom“, über 17.000 Frauen sterben daran. Besonders ab dem fünfzigsten Lebensjahr steigt das Erkrankungsrisiko, sinkt dann aber ab Siebzig wieder ab. Rechtzeitig erkannt, lässt sich Brustkrebs gut behandeln. Die Früherkennung ist deshalb ein wichtiges Thema und erstmals auch in der aktualisierten Leitlinie verankert.

Umstrittenes Mammographie-Screening

Grundsätzlich übernehmen die Kassen die Kosten für einige regelmäßige Untersuchungen wie das jährliche Abtasten der Brust und die Untersuchung der Lymphknoten bei Frauen zwischen 30 und 49 oder ab 70 Jahren. Frauen zwischen 50 und 69 werden zusätzlich alle zwei Jahre zum Mammographie-Screening eingeladen, das allerdings umstritten ist. Zwar können damit sogar sehr kleine Tumoren entdeckt werden, so dass die Heilungschancen hoch sind, nämlich noch bei etwa 90 Prozent. Schätzungsweise kann damit in der Altersgruppe der 50- bis 70-Jährigen die Sterberate um bis zu dreißig Prozent gesenkt werden.

Kritiker monieren jedoch, dass die Frauen nicht unbedingt länger leben, wenn ihr Tumor entdeckt wird, sondern häufig nur über Jahre hinweg von ihrer Erkrankung wissen. Für viele verlängert sich nur die psychische und durch die Behandlungen bedingt auch die körperliche Belastung. Gefürchtet sind außerdem „falsch positive“ Befunde, bei denen auf Grund eines Krebsverdachts weitere Untersuchungen durchgeführt werden. Für die betroffenen Frauen ist das dann im Endeffekt ebenfalls eine unnötige Belastung.

Und auch dafür, dass wirklich jeder Tumor entdeckt wird, bietet die Mammographie keine Garantie. Zumal es außerdem in der Zeit zwischen zwei Mammographien noch zu einem „Intervall-Karzinom“ kommen kann.

Dennoch ist die Mammographie laut Leitlinie die einzige anerkannte Methode mit „gesicherter Reduktion der Brustkrebsmortalität“ und bleibt deshalb für Frauen zwischen 50 und 69 empfehlenswert. Ab 70 soll die Teilnahme dann nur noch „unter Berücksichtigung des individuellen Risikoprofils und des Gesundheitsstatus sowie einer mehr als 10jährigen Lebenserwartung“ angeboten werden. Eine wichtige Rolle spielen Patienteninformationen, bei denen es nicht nur um „vorformulierte Texte“, sondern auch um persönliche Gespräche mit dem Arzt und gemeinsame Entscheidung geht.

Lebensstilbedingte Risiken reduzieren

Die Ursachen für Brustkrebs sind zwar noch längst nicht ausreichend erforscht, doch es gibt Hinweise auf Risikofaktoren, die sich auf den Lebensstil in den Industrienationen zurückführen lassen. Das gilt zum Beispiel für das Rauchen, für Alkoholgenuss und Bewegungsmangel oder auch eine ungesunde Ernährung mit zu viel tierischem Fett, für Übergewicht und Diabetes Typ II. Die Heilungsrate bei Brustkrebs ist durch verbesserte Früherkennung, neue operative, strahlentherapeutische und medikamentöse Therapien und auch durch die interdisziplinäre Betreuung in zertifizierten Brustkrebszentren deutlich gestiegen.

Trotzdem erleidet jede dritte bis vierte Patientin nach einer überstandenen Krebserkrankung im Laufe ihres Lebens einen Rückfall. „Mittlerweile mehren sich die Beweise dafür, dass mehr körperliche Aktivität und eine Gewichtsreduktion das Rückfallrisiko verringern und das subjektive Wohlbefinden erhöhen können“, sagt Achim Wöckel.

Allerdings darf die Sensibilität für die Lebensstilfaktoren nicht darüber hinweg täuschen, dass es weniger persönlich beeinflussbare Risiken gibt wie beispielsweise längere Hormonersatztherapien in den Wechseljahren, eine hohe mammographische Dichte der Brust, also viel Drüsen- und Bindegewebe und wenig Fett, oder eine erbliche Vorbelastung.

Etwa zwei Drittel aller Brustkrebserkrankungen entwickeln sich abhängig von weiblichen Hormonen, besonders von Östrogenen, die vor allem in den Eierstöcken gebildet werden, welche deshalb oft operativ entfernt wurden. Neueren „endokrinen Therapien“ gelingt es, das Tumorwachstum medikamentös zu beeinflussen und so den Kinderwunsch jüngerer Patientinnen nicht mehr zwangsläufig auszubremsen. Frauen nach der Menopause erhalten nach einer OP häufig Aromatasehemmer, die die Östrogenproduktion in Muskel- und Fettgewebe, nicht aber in den Eierstöcken stoppen, um Rückfälle zu verhindern. Zu den Nebenwirkungen gehören starke Knochenschmerzen, die bisher dazu führten, dass 30 bis 40 Prozent der Betroffenen die Therapie sogar abbrechen.

Eine Studie, die im Dezember beim San Antonio Breast Cancer Symposium vorgestellt wurde, ergab jedoch, dass klassische Akupunktur diese Schmerzen deutlich lindert. Auch der Schutz der Eierstöcke gebärfähiger Frauen gelingt einer ein San Antonio vorgestellten Analyse zufolge noch besser durch den Einsatz von GnRH-Analoga während der Chemotherapie. Der Deutschen Krebsgesellschaft zufolge ist das ebenfalls ein Thema für die Leitlinie.

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