Von Nutzen und Risiken

Patientinnen sollen ihre Krebsvorsorge selbstbestimmt wahrnehmen und kritisch hinterfragen – das ist das Ziel der Verfechter der „informierten Entscheidung“. Worauf kommt es dabei an?
Illustration_Vorsorge
Illustration: Katja Budinger
Dr. Ulrike Schupp Redaktion

Bei 70.000 Frauen pro Jahr stellen Ärzte bei einer Vorsorgeuntersuchung Brustkrebs fest. Natürlich ist eine solche Diagnose ein Schock. Doch die Heilungschancen sind vergleichsweise gut, vorausgesetzt, der Krebs wird früh erkannt. Etwa eine von acht Frauen erkrankt im Laufe ihres Lebens an Brustkrebs. Das Mammakarzinom gehört mit zu den häufigsten Krebsarten in Deutschland, gefolgt von Gebärmutterhals-, Darm- und Lungenkrebs. Betroffenen Frauen raten Ärzte in der Regel zu einer OP, in deren Rahmen der Tumor und Teile des Brustgewebes oder auch die ganze Brust entfernt werden. Je nach Diagnose kommen Bestrahlung, Hormon- und Chemotherapie als weitere Behandlungen in Betracht. Oft wird schon unmittelbar nach einer Brustentfernung in derselben Narkose mit dem Wiederaufbau begonnen. Aber auch Jahre nach einer Brustentfernung ist der Brustaufbau mit körpereigenem Gewebe oder Implantaten noch möglich. Krebs im Anfangsstadium lässt sich oft schonender behandeln als spätere Stadien, in denen Tochtergeschwulste entstanden sind. Das alles spricht eindeutig für die Früherkennung, die in der Regel zu den Standardleistungen der gesetzlichen Krankenkassen zählt. 

 

Trotzdem sind die Untersuchungen nicht unumstritten. Durch eine „informierte Entscheidung“ werden Vor- und Nachteile, bestenfalls unterstützt durch beratende Ärzte, bewusst abgewogen. Ab 30 können Frauen ihre Brust einmal im Jahr abtasten lassen. Sind sie zwischen 50 und 69, übernehmen die Kassen mit dem Mammographie-Screening im Zwei-Jahres-Rhythmus eine qualitätsgesicherte Röntgenuntersuchung. Die Tastuntersuchung ist zwar empfehlenswert, reicht jedoch als alleinige Maßnahme zur Früherkennung manchmal nicht aus. Häufiger werden Knoten entdeckt, die sich bei Folgeuntersuchungen als harmlos erweisen oder es werden Hinweise auf eine Erkrankung übersehen. Ab 50 wird das Mammographie-Screening als sinnvolle Untersuchung zur Brustkrebs-Früherkennung empfohlen. Spezialisierte universitäre Zentren wie das Brustzentrum der Charité in Berlin oder das Zentrum für Familiären Brust- und Eierstockkrebs am Universitätsklinikum Köln bieten darüber hinaus für Frauen ab 25 Screening und weitere Maßnahmen an, beispielsweise dann, wenn eine erhöhte erbliche Belastung angenommen werden muss. 

 

Zu den Nachteilen der Mammographie gehört der Druck auf die Brust bei der Untersuchung, der meist als unangenehm empfunden wird, ebenso wie die allerdings eher geringfügige Strahlenbelastung. Ein auffälliger Befund entspricht nicht der Diagnose „Brustkrebs“. Den Zahlen der Deutschen Krebshilfe zufolge lässt sich bei 40 von 60 Frauen erst nach einer weiteren Untersuchung Brustkrebs ausschließen. 20 Frauen wird eine Gewebeentnahme empfohlen, und bei zehn davon wird dann tatsächlich Brustkrebs diagnostiziert. 

 

Das Screening entdeckt auch Brustkrebs-Vorstufen, deren eventuell harmlose Entwicklung sich nicht voraussagen lässt, sowie Brustkrebs-Erkrankungen, die keinen Einfluss auf das Überleben der betroffenen Frau haben. In beiden Fällen wird in der Regel operiert. Die Mammographie führt so zu einer gewissen Rate an Überdiagnostik mit vermeidbarer OP.

 

Bevor sich eine Patientin einer Vorsorgeuntersuchung unterzieht, sollte sie ihrer Ärztin oder ihrem Arzt deshalb kritische Fragen stellen. Das empfiehlt etwa die Deutsche Krebshilfe. Sie sollte herausfinden, wie groß das persönliche Risiko ist, an dieser Krebsart zu erkranken. Sie sollte fragen, wie oft eine bestehende Krebserkrankung durch die Untersuchungsmethode erkannt („richtig-positives-Ergebnis“) beziehungsweise übersehen („falsch-negatives-Ergebnis“) wird, und auch, wie häufig es durch zu einem falschen Krebsverdacht kommt. Außerdem sollte sie wissen, wie viele Teilnehmerinnen durch die jeweilige Früherkennungsuntersuchung Schäden davongetragen haben und welche Rolle Überdiagnosen spielen. Letztlich soll sich die Patientin selbst für oder gegen die Untersuchung entscheiden.  

 

Nicht unumstritten ist auch die Früherkennung bei Gebärmutterhalskrebs. In der Diskussion steht die Impfung gegen HPV, Humane Papillom-Viren. An Gebärmutterhalskrebs erkranken pro Jahr über 4.600 Frauen neu, etwa 1.600 sterben jährlich daran. HPV-Infektionen sind weit verbreitet. Die Viren werden meist beim Geschlechtsverkehr übertragen. Eine Infektion kann allerdings von selbst ausheilen, sogar Zellveränderungen, die durch HPV ausgelöst werden, bilden sich oft wieder zurück. Etwa 100 verschiedene HP-Virustypen haben Wissenschaftler bisher identifiziert. Als Hochrisikotypen für das Entstehen von Gebärmutterhalskrebs gelten HPV 16 und 18. Die Impfungen gegen das Virus sollen die Anzahl der Neuerkrankungen verringern. 

 

Wirksam sind sie allerdings vor allem vor dem ersten Geschlechtsverkehr und damit bei Mädchen zwischen 12 und 17 Jahren. Kritiker der Impfung halten den teuren HPV-Impfstoff für überflüssig. Denn auch wer gegen HPV geimpft ist, sollte weder auf Kondome verzichten, die vor Ansteckung schützen noch auf regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen, durch die das Krebsrisiko um 90 Prozent gesenkt werden kann. Klinische Impfstudien mit Jugendlichen existieren bislang noch nicht, so dass für diese Altersgruppe keine eindeutige Nutzen-Risiko Analyse vorliegt. 

 

Frauen ab 20 bieten die Kassen die Untersuchung eines Abstrichs vom Gebärmutterhals, den „PAP Test“ an. Drei von 100 weisen dabei einen auffälligen Befund auf. Von acht richtig-positiven Befunden entwickelt sich jedoch nur einer weiter zu einer Gebärmutterhalskrebs-Erkrankung. Auch hier muss die Patientin Nutzen und Risiken abwägen.

 

KREBSVORSORGE FÜR FRAUEN

Ab 20 Jahren

Jährliche Untersuchung der Geschlechtsorgane: Erfragung eventueller Beschwerden, gynäkologische Tastuntersuchung, Entnahme von Untersuchungsmaterial vom Gebärmuttermund und aus dem Gebärmutterhals, Beratung

 

Ab 30 Jahren

Jährliches Abtasten der Brustdrüsen und der dazugehörigen Lymphknoten, Anleitung zur Selbstuntersuchung, Beratung

 

Ab 35 Jahren

Untersuchung der Haut am ganzen Körper alle zwei Jahre

 

Ab 50 bis 70 Jahren

Mammografie-Screening, Beratung

 

Ab 50 bis 55 Jahren

Untersuchung auf Dickdarmkrebs durch Tastuntersuchung und Papierstreifentest, Untersuchung auf Blut im Stuhl. Ab 55 Jahren Darmspiegelung mit einmaliger Wiederholung nach 10 Jahren.

Nächster Artikel