Krebsbekämpfung mit System

Pro Jahr erhalten rund 70.000 Frauen in Deutschland die Diagnose Brustkrebs. Die Erkrankung ist heute gut behandelbar, nicht zuletzt dank der neuen S3-Leitlinien für die Brustkrebstherapie.
Prof. Dr. Achim Wöckel
Prof. Dr. Achim Wöckel Direktor, Universitäts-Frauenklinik Würzburg
Universitätsklinikum Würzburg Beitrag

Wir sprachen mit Prof. Dr. Achim Wöckel, Direktor der Universitäts-Frauenklinik Würzburg, der als Koordinator den Aktualisierungsprozess leitet.

Herr Professor Wöckel, was sind S3-Leitlinien?
S3 – „Stufe 3“ – Leitlinien sind Handlungsempfehlungen, die vor allem bei Krebserkrankungen eine Rolle spielen. Wichtig ist, dass es sich hierbei nicht nur um Meinungen oder um eine Einzelstudie handelt. Für die Erstellung solcher Leitlinien wird eine Vielzahl belastbarer Datenquellen ausgewertet. Im Dezember 2017 haben wir unsere neuen S3-Leitlinien für die Brustkrebstherapie vorgestellt. Sie sind derzeit in ihrer Kompaktheit weltweit einmalig, es gibt aktuell keine vergleichbare Datenquelle, die das gesamte Behandlungsspektrum abdeckt.

Wann kommen solche Leitlinien zur Anwendung?
Die S3-Leitlinien umfassen alle Phasen der Erkrankung, von der Früherkennung bis zur Nachsorge. Sie kommen also praktisch ständig zur Anwendung. Man kann sie sich als eine Art Korridor vorstellen, in dem sich Arzt und Patientin gemeinsam bewegen. Innerhalb dieses Korridors werden die Therapie-Entscheidungen besprochen.

Sind S3-Leitlinien bindend für die behandelnden Ärzte?
Nein, das sind sie nicht. Es sind keine Richtlinien, sondern nur Empfehlungen. Den behandelnden Ärzten bleiben dabei Gestaltungsspielräume, Abweichungen sind möglich. Dass muss auch so sein, denn letztendlich muss im Einzelfall entschieden werden, was das Beste für die Patientin ist. Für die gesundheitspolitischen Institutionen sind Leitlinien jedoch eine entscheidende Säule. Sie werden zum Beispiel herangezogen, wenn es um die Leistungskataloge der gesetzlichen Krankenkassen geht.

Warum waren die S3-Leitlinien für die Brustkrebstherapie notwendig?
Es gab einfach viel zu viele verschiedene Behandlungskonzepte. Deshalb wurden auf Initiative der Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) e.V., der Deutschen Krebshilfe und der Deutschen Krebsgesellschaft für alle häufig auftretenden Krebserkrankungen onkologische Leitlinien erarbeitet. Die Erfolge sind bereits nachweisbar: Eine große Studie mit über 13.000 Brustkrebs-Patientinnen hat gezeigt, dass die Überlebensraten deutlich steigen, wenn die Empfehlungen aus den Leitlinien befolgt werden.

Was beinhalten die Leitlinien?
Die Brustkrebs-Leitlinien fassen die neuesten medizinischen Erkenntnisse zusammen. Dies hat bereits Auswirkungen auf die Therapie: So wird beispielsweise heute bei der Tumorentfernung viel weniger gesundes Gewebe mitentfernt, weil wir inzwischen wissen, dass dies keinen Einfluss auf das Langzeitüberleben hat. Auch finden deutlich weniger radikale Lymphknotenentfernungen statt. Außerdem kennen wir heute bestimmte Parameter, die uns verraten, ob eine Chemotherapie nötig ist oder eine antihormonelle Therapie ausreicht.

Werden die Leitlinien künftig auch aktualisiert?
Momentan entwickeln wir das Konzept für eine kontinuierliche Überarbeitung. Ziel ist, dass eine Gruppe von Wissenschaftlern die Leitlinien laufend prüft und bei Bedarf aktualisiert. Dafür werden regelmäßig neue Studien nach ihrer Aussagekraft bewertet.

www.ukw.de/frauenklinik

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