Finden, halten und fördern

Die Suche nach Fachkräften wird in vielen Bereichen aufwändiger und die Qualifikation der eigenen Mitarbeiter immer wichtiger.
Personalentwicklung
Illustration: Linda Wölfel
Lars Klaaßen Redaktion

Die Berliner Firma IAV (Ingenieurgesellschaft Auto und Verkehr) zählt zu den weltweit führenden Engineering-Partnern der Automobilindustrie. Dabei ist das Unternehmen auf hochqualifizierte Mitarbeiter angewiesen. Um für seine vielen spezialisierten Arbeitsbereiche passgenau qualifizierte Experten zu finden, ist IAV an Universitäten und auf Facebook aktiv. Es ist aber nicht allein damit getan, Talente für das Unternehmen zu interessieren. Das Unternehmen fördert angehende Akademiker schon ab den ersten Semestern, um passende Fachkräfte zu gewinnen.

 

„Jeder Studierende hat bei uns einen Betreuer“, erläutert Bernhard Hayn, Teamleiter im Bereich Recruiting und Hochschulmarketing bei IAV. „Beide besprechen einmal pro Jahr die im Ausbildungsplan festgelegten Lernziele beziehungsweise die Leistung.“ Zusätzlich findet eine Potenzialbewertung statt. „Die Beurteilung ist Bestandteil für die Übernahme“, so Hayn. „Wenn die Leistungen zumindest dem Durchschnitt entsprechen, können wir in der Regel eine Übernahme garantieren.“ Damit die Studierenden sich fachlich weiterentwickeln, offeriert IAV ihnen pro Semester eine Qualifizierungsmaßnahme. Neben dem kompletten Weiterbildungsangebot für Mitarbeiter stehen den Studierenden dafür das interne Know-how-Forum und die IAV-Vortragsreihen zur Verfügung.

 

IAV ist kein Einzelfall. „Sacharbeiter, die mit Aktenordnern hantieren und standardisierte Routineaufgaben erledigen, waren früher die Norm. Heute hingegen sind Wissensarbeit und Kreativität gefragt, die Aufgaben werden komplexer und verändern sich dynamisch“, weiß Stefan Rief. Er leitet das Team „Workspace Innovation“ sowie das Verbundforschungsprojekt „Office21“ beim Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO). „Leistungsdruck und Arbeitsdichte nehmen zu, neue Formen der Organisation von Arbeit erfordern mehr Kompetenz, Zusammenarbeit und Selbstorganisation“, so Rief. 

 

Beschleunigung und Globalisierung prägen den Arbeitsalltag zunehmend. Auf der anderen Seite müssen auch Arbeitgeber einiges leisten: „Qualifizierte Mitarbeiter fordern selbstbewusst eine optimale Arbeitsumgebung im Sinne von Wohlbefinden, Leistungsfähigkeit und Flexibilität, die es ermöglicht, individuelle Lebensphasen und Lebensstile zu integrieren“, sagt Rief. Sie können das selbstbewusst äußern, weil Fachkräfte im Zuge des demografischen Wandels in wichtigen Bereichen rar werden.

 

„50 Prozent der Unternehmen sind zur Deckung ihres Fachkräftebedarfs schon heute auf ausländische Absolventen angewiesen. Sie fordern deshalb von Politik und Hochschulen eine qualitätsorientierte Zuwanderungsstrategie.“ Das ist ein Ergebnis des „Hochschul-Bildungs-Report 2020“, den der Stifterverband und McKinsey jährlich herausgeben. Insbesondere Unternehmen, deren Stärke im technischen Know-how liegt, müssen schon heute verstärkt nach geeigneten Mitarbeitern suchen. Oft ist eng definiert, welche Qualifikationsprofile benötigt werden. Das macht die externe Suche langwierig. Verantwortliche im Personalmanagement stehen vor einer dreifachen Aufgabe: Sie müssen Talente finden, im Unternehmen halten und inhaltlich fördern.

 

Vor diesem Hintergrund gewinnt berufsbegleitende Qualifizierung in der sich zunehmend beschleunigenden Wissensgesellschaft an Bedeutung. Zugleich wachsen in diesem Bereich die Möglichkeiten durch neue Formen von Online-Angeboten. Der Hochschul-Bildungs-Report 2020 verzeichnet in Europa wie Deutschland „eine starke Entwicklung, zunächst aufseiten der Bildungsnachfrager, aber zunehmend auch aufseiten der Bildungsanbieter“. Zudem benennt er mit Blick auf webbasierte Angebote eine Reihe von Vorteilen, wie etwa die niedrigen Zugangshürden, etwa durch transparente Informationsportale und einfache Online-Anmeldung. Die Teilnehmer könnten darüber hinaus weitgehend unabhängig von Ort und Zeit lernen, was etwa ein berufsbegleitendes Fernstudium erleichtere.

 

„Effiziente Weiterbildung geht oft über reines E-Learning hinaus“, sagt Eberhard Niggemann, Leiter der Weidmüller Akademie. In ihr bündelt der gleichnamige Elektrotechnikspezialist alle Aktivitäten zum Wissensaufbau im Unternehmen und den Wissensaustausch mit externen Institutionen, Universitäten und Partnern, der Nachwuchssicherung, sowie der Qualifizierung der weltweit rund 4.600 Mitarbeiter und Kunden. Die Akademie setzt auf Blended Learning: Den Anfang macht in der Regel das Web Based Training. Auf einem Lernportal erarbeiten sich die Teilnehmer zunächst die Grundlagen – selbstständig, wann und wo sie wollen. Darauf folgt ein Webinar, bei dem Teilnehmer und Dozent an einen Termin gebunden sind. Beim Vertiefen der Lerninhalte können nun aktiv Fragen gestellt werden. Geht es danach in die Präsenzphase, sind alle bereits sehr gut vorbereitet. Nun rückt die Praxis stärker in den Vordergrund. „Unsere Fachkräfte wollen schnell zum Ziel kommen und sich passgenau erschließen, was im Beruf gefordert ist“, so Niggemann, „dabei hat sich dieses Modell bewährt.“

 

Sind bei der Berliner Firma IAV aus Studenten Mitarbeiter geworden, folgen weitere Schritte. „Wir bieten unseren Fachkräften Entwicklungsmöglichkeiten entsprechend ihren Neigungen und Stärken, suchen und fördern Talente aus den eigenen Reihen“, so Hayn. Gerade im High-Tech-Bereich ist lebenslanges Lernen Voraussetzung, um die Poleposition zu halten. So offeriert das interne Förderprogramm für Nachwuchskräfte „IAV Career Base“ laufbahnübergreifend eine praxisnahe Qualifizierung. Nach einer halbjährigen Orientierungsphase legen Vorgesetzte und Trainer gemeinsam mit dem Mitarbeiter nächste Schritte fest. Anschließend qualifiziert IAV seine Mitarbeiter für ihre neue Rolle als Spezialist, Projektverantwortlicher oder Führungskraft. Ein erheblicher Effekt solchen Engagements: Wer seine Fachkräfte inhaltlich fördert und ihnen dadurch innerhalb des Unternehmens weitere Karriereschritte eröffnet, bindet sie langfristig.

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