Transport digital und robust aufgestellt

Prozesse digitalisieren und automatisieren – auch im Schienenverkehr ist Industrie 4.0 ein wichtiges Thema mit weitreichenden Folgen für Logistik und Mobilität.
Gerhard Kreß
Gerhard Kreß, Leiter, Siemens Mobility Data Services Center
Siemens AG Beitrag

Herr Kreß, auf den Schienenverkehr übertragen, was bedeutet Industrie 4.0?
Wie auch in anderen Bereichen und Branchen muss die Frage lauten: Wie kriegen wir Produktionsprozesse digitalisiert und automatisiert? Die Einflüsse auf diese Prozesse sind vielschichtig und verändern sich. Wirklich digitalisiert und automatisiert können sie jedoch autonom darauf reagieren und damit die Produktion optimieren. Es gilt also auch den Transport digital und robust aufzustellen, so dass er sich bei externen Schocks selbst rekonfiguriert.

Inwieweit ist das bereits gelungen?
Der erste Schritt ist die Verfügbarkeit der Fahrzeuge, ohne die über die Industrie 4.0 im Schienenverkehr überhaupt nicht nachgedacht werden muss. Das Risiko muss klar sein. Sie müssen also wissen, wann Fahrzeuge ausfallen. Dafür brauchen Sie in einem zweiten Schritt ein Verständnis über den Zustand Ihrer Flotte, um dann in einem dritten Schritt auch die Betriebssteuerung – den Produktionsprozess im Schienenverkehr – zu optimieren. Im Bereich der Risikoerkennung und in der Instandhaltung sind wir schon sehr weit und haben fertige Lösungen und Tools, die wir unseren Kunden anbieten können. Auch erste Pilotprojekte zum Thema Betriebssteuerung, also die Digitalisierung der Disposition, können wir vorweisen.

Ist die Digitalisierung der Disposition komplexer als die vorherigen Schritte?
Das ist sie – insbesondere bei großen Flotten und Strecken – in der Tat. Und auch die Abhängigkeiten sind dort höher. Hinzu kommt, dass wir uns zunächst auf die Instandhaltung, also auf die Verfügbarkeit der Fahrzeuge, konzentriert haben und erst im Diskurs mit den Kunden klar wurde, dass die benötigten Lösungen viel weiter greifen und schlussendlich auch die Auswirkungen auf die Betriebssteuerung umfassen müssen. Doch auch das ist typisch für die Industrie 4.0 – sie ist kein starrer Prozess, sondern eine kontinuierliche Weiterentwicklung von Konzepten, Ideen und Produkten.

Sie sprachen von Pilotprojekten. Können Sie eines davon vorstellen?
Ein schönes Beispiel ist ein australischer Minenbetreiber, der mit der Zielsetzung an uns herangetreten ist, mehr Fahrzeuge pünktlicher durch sein kleines Streckennetz zu bekommen. Es gibt zwar nur zwei Minen von denen die Fahrzeuge das abgebaute Erz zum Hafen transportieren müssen. Wir sprechen aber von rund 4,5 Kilometer langen Zügen, die so schwer sind, dass sie nur während der Fahrt be- und entladen werden können. Verspätungen verursachen zudem direkte Kosten, wenn ein Schiff, auf das das Erz verladen wird, länger als geplant im Hafen liegen muss.

Wie geht man eine solche Fragestellung an?
Wir haben zunächst geschaut, wo genau im Netz die Probleme entstehen – nicht, wo sie sichtbar werden. Das können Sie mit einem Stau bei zu hohem Verkehrsaufkommen vergleichen, bei dem eine Vollbremsung eines Fahrers vielleicht ein paar Kilometer weiter hinten den Stau verursacht. Uns interessiert also der Fahrer, der vorne bremst. In dem konkreten Fall des Minenbetreibers haben wir sechs solcher Stellen identifizieren können. Dafür haben wir einen sogenannten ‚digital Twin’ erzeugt, also digitale Fahrzeuge über ein digitales Netz laufen lassen, um daraus Schlüsse für die reale Welt ziehen zu können.

Wie sah am Ende die Lösung aus?
Dass weniger Fahrzeuge auf der Strecke letztendlich dafür sorgen, dass mehr Erz im Hafen ankommt. Wir konnten damit die Fehlerkosten um rund 20 Prozent verringern, was in diesem speziellen Fall eine enorme Dimension ist.

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