Digitalstandort Deutschland

Die deutsche Politik will die digitale Transformation im Land vorantreiben und fördert dafür spezielle Innovationscluster.
Illustration: Mario Parra
Illustration: Mario Parra
Julia Thiem Redaktion

Was haben Berlin, Dortmund, Dresden/Leipzig, Frankfurt/Darmstadt, Hamburg, Karlsruhe, Köln, Ludwigshafen/Mannheim, München, Nürnberg/Erlangen, Potsdam und Stuttgart gemeinsam? Bevor Sie nun lange grübeln: Es sind die zwölf regionalen deutschen Digital Hubs, in denen sich laut Bundesministerium für Wirtschaft und Energie „Start-ups, Wissenschaft, Mittelstand, Industrie und Verwaltung zusammenschließen und zu Zentren der digitalen Transformation werden“. Statt nur ein einziges Silicon Valley haben wir hierzulande also gleich zwölf. Wobei sich die Regionen ganz unterschiedlich spezialisiert haben. Köln und München sind aufgrund der Nähe zur Versicherungsbranche beispielsweise zu sogenannten InsurTech Hubs erkoren, Frankfurt zum FinTech und Cybersecurity Hub, Hamburg und Dortmund etwa zu Logistic Hubs.

Soweit so gut. Doch wo steht Deutschland im internationalen Vergleich beim Thema Digitalisierung? Laut einer Studie des Venture Capital Unternehmens Atomico und der Eventreihe Slush hat Europa als Technologiezentrum kräftig aufgeholt. Die Zahl der Software-Entwickler und Programmierer liegt mit 4,7 Millionen deutlich über der der USA (4,1 Millionen). Es gibt allerdings auch ein Aber. Denn der derzeit einzig „echte“ europäische Digital Hub ist London, was sich auch in der Zahl der Entwickler und Programmierer widerspiegelt. 300.000 sind es dort. Paris folgt schon mit deutlicher Entfernung (134.000), Berlin und Madrid sind nahezu abgeschlagen mit jeweils 82.000. Zum Vergleich: Im Silicon Valley tummeln sich 565.000 Programmierer und Entwickler.

Und jenseits der neu auserkorenen deutschen Digitalzentren ist die Lage noch viel dramatischer, wie nun eine aktuelle Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft in Köln zeigt. Demnach dominieren nur wenige Wirtschaftsräume in Bayern und Baden-Württemberg die deutsche Innovationslandschaft und liegen international auf Spitzenniveau. Die meisten Bundesländer fielen hingegen im Vergleich stark ab. „Würde das ganze Land wie Baden-Württemberg und Bayern forschen, lägen wir im internationalen Vergleich auf Platz eins“, sagt IW-Wissenschaftler Oliver Koppel über die Studienergebnisse.

Forschen und ein universitäres Umfeld sind also die eigentlichen Treiber hinter der Innovationskraft – und damit auch hinter den Digital Hubs, was auch die Historie des Silicon Valleys belegt. Denn es war der amerikanische Stanford-Professor Frederick Emmons Terman, der in den 1920er-Jahren besorgt darüber war, dass es so viele seiner Studenten nach dem Abschluss an die Ostküste zog. Also unterstützte er einige vielversprechende Absolventen bei Unternehmensgründungen nahe der Universität – unter anderem William Hewlett und David Packard. Der Rest ist Geschichte.

Neben digitalen Hubs braucht Deutschland also vor allem technikaffinen Nachwuchs. Auch dies ist bei der Politik angekommen und zeigt sich etwa in der bewussten Förderung mathematisch-naturwissenschaftlicher Bildung oder der Vermittlung von Medienkompetenz, wie sie inzwischen bereis in vielen Lehrplänen integriert wurde. Ob das wirklich heißt, die Schulen flächendeckend mit Smartboards oder Tablets auszustatten zu müssen, wird sich zeigen. Unbestritten ist dagegen die Notwendigkeit zur Interdisziplinarität: Wie soll ein Jurist künftig sinnvoll über IoT-Fälle urteilen, wenn keine grundlegenden Programmierkenntnisse vorhanden sind? 

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